Hoffnungslos

In meinen letzten Posts zum Thema «Rassismus» habe ich mich dazu geäussert was mich wütend macht. Und was ich hasse. Da ich nun gefragt wurde, wie ich denn mit «Andersdenkenden» – in diesem Falle wohl «Rassisten» umgehen würde – hier meine – vielleicht hoffnungslose – Sicht der Dinge.

Wenn man – bildlich gesprochen: unter Feinden – aufwächst, muss man sich anpassen. Muss man die Tretmienen umschiffen und immer auf der Hut sein. Vermeintliche «Freunde» und «Feinde» wechseln sich ab. Was bleibt ist ein tiefes Misstrauen. Deshalb ist man immer sehr vorsichtig mit Meinungen. Versucht sich so gut es geht zu verstecken. Nicht anecken lautet die Devise. Und auch keine Angriffsfläche bieten, indem man andere Meinungen nicht akzeptiert…

Die meisten Menschen mit denen ich zu tun habe, kennen meine politischen Werte. Sie wissen, dass mein Herz fast ausnahmslos links schlägt, ich die «Juso» und die «SP» unterstütze, sofern ihre Ziele auch den meinigen entsprechen. Für mich ist jede Person zuerst einmal ein Mensch, ein Lebewesen mit eigenem Willen, eigenen Gedanken und Vorstellungen.

Aber eigentlich mag ich Menschen ja gar nicht… Aber ohne Menschen geht es nun mal nicht…

Mit meiner Einstellung kämpfe ich oftmals auf verlorenem Posten. Schnell werde ich als «Gutmensch» abgeschrieben. Das mag wohl so sein. Innerlich habe ich resigniert. Was wäre denn die Alternative?

Ich bin nicht Kritikresistent und lasse mich gerne auf Diskussionen ein. Manche sind fruchtbar, andere eher hoffnungslos. Es ist schwierig, gegen festgefahrene Klischees anzukämpfen.

Eine demokratische Gesellschaft muss mit Menschen jeglicher Couleur umgehen können. An dem Tag, an dem sie es nicht mehr kann, wird sie totalitär. Ein Schritt weiter in Richtung Abgrund.

Deshalb denke ich, darf man auch die zum Teil unterirdischen Plakat-Kampagnen der «SVP» nicht verbieten. Man darf gegen sie Stellung beziehen. Man darf Gegenkampagnen starten. Man darf alles tun, um Menschen seine Meinung kundzutun. Man sollte sie allerdings nicht manipulieren. Es reicht, wenn die «Gegenseite» das tut. Ich glaube, vielmehr hoffe ich, dass Menschen selber merken, dass sie an der Nase herumgeführt werden… Egal von welcher Partei. Und auch wenn Vergleiche mit «Nazis» wohl manchmal wirklich angebracht wären, so helfen diese nicht. Im Gegenteil.

Ich nehme jeden Menschen wie er ist und gehe – vermutlich aus unglaublich grosser Naivität heraus – davon aus, dass er nur gute Absichten hat. Deshalb sehe ich hinter Worten manchmal nicht die Dinge, die andere sehen… Und so akzeptiere ich auch jede Meinung, egal wie sie nun sein möge.

Ich bin ein hoffnungsloser Fall.

Wut

In meinem letzten Artikel ging es um das Thema «Rassismus». Ein Thema, das mich seit ich denken kann begleitet hat. Wenn auch eher unfreiwillig wurde ich schon im Vorschulalter darauf aufmerksam gemacht, dass ich nicht gleich wie die anderen war. Das ich anders sei.

Natürlich sieht man mir meine Herkunft unweigerlich an, obwohl man mich auch schon nach Brasilien, in die Mongolei (immerhin geographisch etwas näher), nach Afrika oder Arabien verpflanzt hat. Aber nein, ich stamme aus Indien und das sieht man mir an. Und da meine Eltern weiss sind, waren Sticheleien vorprogrammiert. So musste ich mich mit dem Thema beschäftigen.

Von meinen Eltern bekam ich früh den Ratschlag mit, über solchen Ärgernissen zu stehen. Solche Menschen würden früher oder später erwachsen, meinten sie und, wenn ich ihre Attacken ignorieren würden, würden sie bald einmal den Spass verlieren. Nur, wie das so mit elterlichen Ratschlägen ist: Diejenigen, die es betrifft, haben diese offenbar nie gehört…

Natürlich: Ich habe nie das gleiche Schicksal erlebt wie die farbige Bevölkerung Anfang der 1900er-Jahre in Amerika. Ich weiss nicht, wie das ist, wenn man nur getrennte Bürgersteige benutzen darf. Ich weiss nicht, wie das ist, wenn man in Restaurants an separaten Tischen sitzen muss. Und ich weiss auch nicht, wie das ist, wenn man Angst haben muss, weil in meiner Nachbarschaft die Häuser brennen. Das alles weiss ich nicht.

Allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, wie es sich anfühlt, wenn man nur geduldet und nicht akzeptiert wird. Wenn man immer wieder hört, dass man nur auf dem «Papier» Schweizer sei. Und ich weiss, wie es sich anfühlt, wenn wildfremde Menschen einem in gebrochenem Deutsch etwas erklären wollen, auch wenn sie ansonsten perfektes «Walliserdeutsch» sprechen.

In meiner Jugend gab es einige einschneidende Erlebnisse, die mein Verhalten gegenüber meinen Mitmenschen nachhaltig geprägt haben. In den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es zur Weihnachtszeit immer ein spezielles Radio, welches nur zu dieser Zeit spielte. Es war sehr beliebt und ein allabendliches Wunschkonzert war ein Highlight, weil man anrufen und Leute grüssen konnte. Eines Tages rief ein Einwohner meines Wohnortes an und fragte die Moderatoren, was das auffälligste an der örtlichen Schule sei (das Radiostudio war zu dieser Zeit in einer Lokalität neben der Orientierungsschule). Die Moderatoren antworteten nichtsahnend, dass es wohl das Schild zum Radiostudio wäre. Der Anrufer verneinte. Es wäre Abhijit. Warum? Weil er schwarz ist. Sofort wurde der Anruf unterbrochen und die Moderatoren entschuldigten sich.

Die Sendung wurde damals bis ins Unterwallis hinein empfangen und ich erhielt entsprechendes Feedback auch noch Wochen nach der Ausstrahlung.

Gewiss, es mag nun der Eindruck entstehen, dass alle Menschen in diesem Ort und in diesem Kanton (Bundesland) hoffnungslose Rassisten sind. Wenn der so entstanden ist, dann ist das natürlich falsch. Allerdings sind einige rassistische Tendenzen durchaus zu beobachten. Der übliche Spruch lautet: «Ich bin kein Rassist, aber…»

Und genau das macht mich wütend. Es macht mich wütend, dass Menschen in der heutigen Zeit immer noch denken, sie könnten rassistische Vorurteile als Meinung tarnen. Es macht mich wütend zu sehen, dass es gewisse Parteien am rechten Rand gibt, die Hetze gegen Minderheiten betreiben. Es macht mich wütend, dass Menschen die nicht «weiss» sind als minderwertig betrachtet werden.

Ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass sich etwas diesbezüglich ändern wird. Denn manchmal glaube ich, dass die Menschen gar nicht aus der Geschichte lernen wollen. Leider.

Hass

Am vergangenen Dienstag, dem 06. November 2012, wurde in den USA ein neuer Präsident gewählt. Wie sich am Mittwochmorgen dann herausstellte war der «neue» Präsident der «Alte». Barack Obama. Der erste afroamerikanische Präsident der USA.

Eigentlich wollte ich die Wahlen auf «CNN» live mitverfolgen. Eigentlich. Denn, wie es der Zufall wollte, stiess ich beim Zappen auf eine interessante Dokumentation über den amerikanischen Sänger und Menschenrechtsaktivisten Harry Belafonte: «Sing Your Song».

Eine berührende, sehr intime Dokumentation über den heute 85jährigen Schauspieler, der manchmal auch singt und seinen ewig dauernden Kampf für eine bessere Welt. Die «zeit.de» schrieb über den Film:

Sing your song ist ein Stück weit Selbstdefinition und Lebensbetrachtung Belafontes, den es nach eigenen Angaben immer wieder dahin zieht, "wo die Menschen um Gerechtigkeit kämpfen". Aber er ist auch ein glaubwürdiges und authentisches Plädoyer für gegenseitiges Verständnis und mehr Menschlichkeit in der Welt. (Quelle: www.zeit.de)

Die Dokumentation zog mich in ihren Bann und ich vergass die Präsidentenwahl vollends.

Am anderen Tag habe ich mich in das Leben von Harry Belafonte eingelesen und fand ein 99-Fragen-Interview, ebenfalls auf «zeit.de», in dem ich folgende Frage faszinierend fand:

Haben Schwarze besseren Sex als Weiße?
Da ich niemals Sex in Gestalt eines weißen Mannes hatte, kann ich diese Frage schwerlich beurteilen. Aber, lassen Sie mich bei Ihrer Frage, die Sie in einer frivolen und saloppen Art und Weise formulieren, doch noch einen Moment lang bleiben und sie ernst nehmen. Wenn Sie fragen, ob es beim schwarzen Mann ein Gefühl der sexuellen Überlegenheit und, wichtiger, beim weißen Mann ein Gefühl der sexuellen Unterlegenheit gibt, dann antworte ich: Dieser Punkt ist der alles entscheidende für die Analyse der fortdauernden Präsenz von Rassismus auf der ganzen Welt. Nicht nur in der Hinsicht, in der Sigmund Freud Sexualität als Triebfeder aller menschlichen Energien und Ängste gedeutet hat; sondern im konkreten sozialen Sinn. Die große Angst des weißen Mannes liegt in seiner sexuellen Unterlegenheit gegenüber dem schwarzen Mann. Diese Angst scheint unausrottbar. Sie besteht in der Annahme, dass der schwarze Mann die weiße Frau verführen oder vergewaltigen möchte, und sie liefert, in der Folge, die Begründung und Triebfeder dafür, dass der schwarze Mann kastriert und gelyncht werden darf und muss. Wie war es früher? Du durftest eine weiße Frau nicht einmal angucken, ohne gelyncht zu werden. (Quelle: www.zeit.de)

Wer sich über Harry Belafonte informiert, stolpert zweifelsohne auch über eines der dunkelsten Kapitel der jüngeren Geschichte Amerikas: Diskriminierung von Farbigen und «Rassenunruhen». Die Antwort, die Belafonte auf diese Frage gibt, mag auf den ersten Blick unverständlich erscheinen, wenn man sich aber mit der damaligen Zeit beschäftigt, insbesondere mit dem berühmt-berüchtigten «Ku-Klux-Klan», dann wird schlagartig bewusst, dass die Menschen früher tatsächlich so dachten. Und auch heutzutage ist das Klischee noch weitverbreitet, dass «Schwarze» übermenschlich grosse Genitalien hätten und jede (vorwiegend «weisse») Frau damit förmlich aufspiessen könnten. Die Porno-Industrie lässt dieses Vorurteil immer noch aufleben…

Ich werde nie verstehen wie man Menschen nach ihrem Äusseren beurteilen und klassifizieren kann. In «Reinrassige» oder «Mischlinge» oder gar «Bastarde». Und ich werde nie verstehen, wie man vom Äusseren eines Menschen bestimmte (Menschen-)Rechte ableiten kann bzw. diese vorenthalten kann. Im Übrigen kann ich auch diejenigen nicht verstehen, die ständig davon reden, dass die «Weissen» privilegiert sind. Rassismus wird nicht automatisch zur Gesellschaftskritik, wenn er sich gegen eine Mehrheit richtet…

Jeder Mensch ist gleich, egal welcher Hautfarbe, Nationalität, Geschlecht, Religion, politischer Einstellung er angehört. Ich weiss, dies mag für einige Zeitgenossen schwierig zu verkraften sein, vor allem dann, wenn sie denken, sie wären erhabener.

Es macht mich wütend zu sehen, dass es immer noch Rassismus gibt. Es macht mich wütend zu sehen, dass man dagegen nicht vorgehen kann. Denn – und das ist die Krux einer Demokratie – man muss auch solche «Meinungen» aushalten können.

Die Ironie wollte es, dass an diesem Wahlabend wieder ein «Farbiger» zum Präsidenten gewählt wurde trotz des latent vorhandenen Rassismus in der Gesellschaft. Denn, wie sonst könnte man sich wohl den folgenden «Tweet» eines «Romney»-Kampagnenleiters (http://www.mediaite.com/online/author-of-romney-campaign-blog-post-warns-white-women-against-voting-for-obama/) erklären:

Ich habe in meinem Leben viel erlebt. Zuviel. Ich habe erlebt wie es ist, wenn man nur nach dem Äusseren beurteilt wird. Wenn man sich jeden Tag erneut beweisen muss. Wenn man jeden Tag zeigen muss, dass man auch als «Farbiger» eine Daseinsberechtigung hat. Ich bin wütend. Aber ich hasse nicht. Nicht mehr. Ich kann nicht mehr.

Die SVP und Norwegen

Heute war ein Flugblatt der SVP im Briefkasten. "Masseneinwanderung stoppen!" – Volksinitiative zum 1. August 2011. Auf einer Doppelseite erklärt die schweizerische Volkspartei, warum wir eine angebliche Masseneinwanderung haben, die es zu stoppen gilt.

Vor einer Woche, am 22. Juli 2011, ermordete ein politisch motivierter, offenbar psychisch Kranker, über 70 Menschen in Norwegen. Als Beweggründe gab er unter anderem eine schleichende Islamisierung Europas an.

Die SVP, insbesondere deren islamkritische Exponenten wie z. B. Oskar Freysinger bemühten sich sofort, sich von diesem vermeintlichen "Einzeltäter" zu distanzieren, ihn in die psychisch-kranke Ecke zu drängen.

Dank Philippe Wampfler (Twitter, Blog) bin ich auf folgenden Artikel auf sueddeutsche.de gestossen. Unter anderem folgende Passagen finde ich ziemlich bemerkenswert:

"Der 22. Juli 2011 hat gezeigt, dass die greifbarste Frucht der islamkritischen Aktivitäten bislang nirgendwo die Zurückdrängung des Islams ist, sondern nur die Spaltung eben derjenigen Gesellschaft, für die die Islamkritik zu sprechen vorgibt, die sie verteidigen und stärken will. Die anderen, lernen wir jetzt, sind wir selbst. Die Anti-Islam-Bewegung hat nicht den Hass gegen den Islam, sondern den gegen das heutige Europa hochgepäppelt, gegen jeden europäischen Bürger und erst recht jeden Politiker, der den Makel hat, sich nicht von ihr irre machen zu lassen.

Niemand, nicht einmal die entschiedensten Kritiker der Anti-Islam-Bewegung, haben das ganze Ausmaß dieses autoaggressiven Potentials erahnen können. Vielmehr haben wir uns von der Rhetorik der Anti-Islam-Bewegung, ja vom bloßen Namen "Islamkritik" in die Irre leiten lassen. In Wahrheit ist der Islam hier nur die (stark überstrapazierte) Bande, über deren Umweg die Kugeln der Kritik die eigene Gesellschaft anstoßen sollen. Die Islamkritiker kritisieren den Islam und meinen die eigene Gesellschaft, die nicht so ist, wie sie sie sich wünschen."

(Quelle: sueddeutsche.de)

Stefan Weidner, der Autor des Artikels, vertritt eine interessante These: Den Islamkritiker geht es weniger um den Islam sondern mehr um diejenigen Menschen, die für andere (Moral-)Vorstellungen stehen.

Interessant ist das deshalb, weil die meisten Islamkritiker sich viel weniger von den Fundamentalisten unterscheiden, als sie wahrhaben wollen.

So gibt es ziemlich offensichtliche Gemeinsamkeiten zwischen den Muslimbrüdern in Ägypten und der SVP. Beide spielen mit der Angst der Menschen vor Veränderungen. Vor der Angst, die Identität zu verlieren. Einen diesbezüglichen Blog-Artikel findet sich auch im "Polit-Blog" des Tagesanzeigers. Die Kommentare der Pro-SVP-Schreiber lassen übrigens sehr tief blicken.

Die SVP ist – wie die anderen rechts-konservativen Parteien – nicht schuld am Massaker in Norwegen. Dafür muss sich der geständige Täter alleine verantworten. Moralisch kann und sollte man sie aber zur Verantwortung ziehen. Die Welt verändert sich und das wird sie auch weiterhin tun – Menschen mit Angst und Misstrauen gegeneinander aufzuhetzen wird dabei nicht viel ändern.