Wie ich mit Rassismus umgehe. Einige Gedanken

Kein Trigger

Ich finde Triggerwarnungen (TW) seltsam. Ich erlaube mir aber, diesem nachfolgenden Text einige Bemerkungen voranzustellen:

  1. In diesem Text schildere ich meine persönlichen Erfahrungen.
  2. Meine Erfahrungen müssen sich nicht mit denen anderer Menschen abdecken.
  3. Ebenso spreche ich ausschliesslich für mich; ich repräsentiere keine Gruppe. Ich möchte das nicht.
  4. Ich war kein einfaches Kind. Ich war aufmüpfig, störte den Unterricht und konnte auch sonst sehr anstrengend sein.
  5. Ich begrüsse jeglichen Meinungsaustausch. Entweder in den Kommentaren oder auf Twitter

Eine (kleine) Einleitung

In einigen Tagen werde ich 40. Als ich damals im Jahre 1981 in Poona (Indien) geboren wurde, stand meine Zukunft unter einem denkbar schlechten Stern: keine Familie, keine Gesundheit. Keine guten Voraussetzungen. Wie gut musste es das Schicksal dann mit meiner Wenigkeit meinen, als ich von wunderbaren Eltern in der Schweiz adoptiert wurde und in behüteten Verhältnissen aufwachsen konnte.

Schon als meine Mutter mit mir im Kinderwagen unterwegs war, gab es Sprüche à la «Wie viel hast du für das Kind bezahlt», etc. Für meine Mutter unvorstellbar und sie kann sich über so was noch heute, knapp 40 Jahre später, aufregen.

Meine Kindheit war teilweise ein Spießrutenlauf. Öfters wurde ich zusammengeschlagen, gehänselt; mir wurden Kleider und Schulmaterial gestohlen und öfters war ich einfach der sprichwörtlich schwarze Peter (man möge bitte für den hierzulande geläufige Namen ein Nomen einsetzen, welches immer mal wieder heftige Debatten provoziert)

Im Nachhinein, aus der Ferne betrachtet, wirkt alles natürlich viel harmloser. Aber als kleines Kind war das nicht so harmlos. Es gab viele Tage, an denen ich mit grosser Angst den Heimweg antrat, weil ich Angst hatte, dass mich ein Mitschüler erschiessen würde (natürlich haben Kindergärtner keine Waffen, aber das war mir damals nicht so ganz bewusst).

Das ging so, bis ich in die Orientierungsschule kam, in der ich einen sehr geduldigen und guten Klassenlehrer hatte. Da war ich aber bereits ca. 13.

Nun kann man sich fragen, was meine Eltern unternommen haben. Sie haben öfters das Gespräch mit den Eltern der «Täter» gesucht, vielfach wurde das aber nicht ernst genommen.

Ich selbst habe mich «gewehrt», indem ich den Unterricht gestört hatte, mit Fragen, mit Dazwischenreden, etc. – wobei ich natürlich sehr wissbegierig war und eigentlich aus Interesse gefragt habe (Vielfach wurde das aber als Provokation ausgelegt).

Auch die Lehrer waren öfters überfordert. Mit der Situation und mit mir. Heute wäre das wohl anders. Nein, ich war kein einfaches Kind und ich weiss nicht, ob ich mit mir selbst zurechtgekommen wäre.

Danach ging es dann besser. Je erwachsener mein Umfeld wurde, desto besser ging es mir. Die «Auswirkungen» sind geblieben: das Misstrauen, die Angst und letztlich auch der Hass. Aber Hass ist keine Lösung.

Wie ich Rassismus sehe

Vielleicht ist meine persönliche Definition von «Rassismus» falsch aber für mich zumindest passt sie so: Rassismus bedeutet für mich (positive) Diskriminierung, Gewalt, etc. aufgrund der Hautfarbe oder der Herkunft. Nicht darunter fällt für mich die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder des Glaubens. (Wer das nach «Gefährlichkeit für die Betroffenen» ordnen mag, darf das gerne tun. Meins ist das nicht)

Und in meiner Definition kann zuerst einmal absolut jeder von Rassismus betroffen sein. Ich halte die moderne Interpretation davon, dass es keinen Rassismus gegenüber «Weissen» geben kann, für sehr gefährlich und in sich schon rassistisch. Nützlich ist das nicht.

Gruppierungen für ein Verhalten verantwortlich zu machen ist selten eine vielversprechende Idee. Egal ob von Rassisten oder Kämpfer gegen Rassismus. Ich kann die Wut und den Hass der Opfer, die das gleichwohl tun, verstehen. Es hilft aber nichts.

Schon sehr lange beschäftigt mich das Thema, aus naheliegenden Gründen. Und ja, ich würde es lieber nicht tun. Es gibt schliesslich schöneres.

Trotzdem habe ich in einem Tweet einmal formuliert, wie man Rassismus bekämpfen kann.

https://twitter.com/abhijitb81/status/1371058090448195590?s=20

Da man mir öfters schon mal Naivität vorwirft, möchte ich meinen Tweet hier weiter ausführen. Vielleicht helfen meine Gedanken ja jemandem.

Rassismus bekämpfen

Zuerst einmal muss man sich der Tatsache bewusst werden, dass man Rassismus niemals besiegen kann. Es ist in der Natur des Menschen, ihm Unbekanntem erst einmal negativ gegenüberzustehen.

Das bedeutet natürlich nicht, das man ihn akzeptieren muss. Aber es hilft bei der Verarbeitung. Zumindest mir.

Ich versuche, es gelingt mir natürlich nicht immer, jedem Menschen positiv zu begegnen und seinem Handeln erst mal eine gute Absicht zu „unterstellen“.

Es ist ein Unterschied, ob ich Menschen feindselig gegenüberstehe oder aufgeschlossen bin. Dabei spielt die Hautfarbe oder was auch immer keine Rolle. Ich rede mit jedem, solange Reden noch möglich ist. Es wird Situationen geben, wo das nicht mehr möglich ist. Soweit sollten wir es nicht kommen lassen. Dafür sind wir alle gleichermassen verantwortlich.

Wo Reden nicht mehr möglich ist, interagieren diese Menschen auch nicht mehr mit mir. Für sie bin ich eine „Persona non grata“. Das ist zwar ärgerlich, lässt sich aber nicht vermeiden. Und es berührt mich letztlich auch nicht mehr.

Jeder Mensch hat irgendwo einen Rucksack mit seinen (Alt-)Lasten. Mit Dingen, die ihn beschäftigen, die ihn prägten. Es ist nicht so, dass, nur weil jemand eine helle Haut (aka „Weiss“) hat, er keine Probleme hat. Und es ist nicht so, dass diese Menschen keine Vergangenheit haben. Sie alle haben Erinnerungen und Erfahrungen, die aus ihnen das gemacht haben, was sie jetzt sind. Jeder Mensch hat eine Vergangenheit und jeder Mensch trägt seinen Rucksack. Mal leichter, mal schwerer.

Mit diesem Wissen versuche ich, die Handlungen eines Menschen zu verstehen und einzuordnen. Natürlich weiss ich nicht von jedem Menschen, mit dem ich zu tun habe, die ganze Lebensgeschichte. Das ist aber auch gar nicht nötig.

Wenn mich also jemand rassistisch attackiert, dann ist dieser Mensch dafür verantwortlich. Niemand sonst. Seine Herkunft, seine Vergangenheit kann das erklären – nicht aber rechtfertigen.

Es geht mir nicht darum, Rassismus zu verteidigen. Aber ich versuche die Menschen zu verstehen. Nicht jede Äusserung, die heutzutage vorschnell als Rassismus abgetan wird, ist auch wirklich Rassismus. Zumindest für mich nicht. Ich wurde früher beispielsweise regelmäßig auf meine Herkunft angesprochen. Heute wäre das undenkbar. Je nach Situation habe ich dann direkt erklärt, woher ich stamme oder ich habe meine Herkunft in einen Witz verpackt. Lachen hilft manchmal das Eis zu brechen :-)

Natürlich gibt es auch peinliche Fragen. Das lässt sich nie ganz verhindern. Aber auch dann bin ich der Meinung, kann man die Nichtbeantwortung sachlich erklären, ohne aus dem Fragenden einen Rassisten zu machen.

Entscheidend ist, wem man die Deutungshoheit gibt. Wem man erlaubt, einem zu verletzen. Wer in einem so nahen Kreis ist, dass mich dessen Worte verletzen können. Das habe ich allein in der Hand.

Denn, ich bin kein Opfer. Ja, ich habe eine andere Hautfarbe. Es hat Jahre gebraucht, bis ich mich in meiner Haut endlich wohlgefühlt habe. Es sind heutzutage nicht die Rassisten, die mich ständig an meine Hautfarbe erinnern. Es sind diejenigen, die vorgeben, gegen Rassismus zu kämpfen. Das ist bedenklich. Ich bin, so hoffe ich doch, viel mehr als meine Hautfarbe.

#Update 06.06.2021: Änderung des Titels sowie einige Rechtschreibfehler, die sich eingeschlichen haben ;-)

Youtube Empfehlung 2: Bleilo & SallyIsG4You

Vor einiger Zeit habe ich bereits einen jungen ambitionierten Youtuber vorgestellt (der übrigens immer noch mehr Zuschauer verdient hat!). Inzwischen habe ich weitere Kanäle gefunden, die es wert sind, besucht und ggf. unterstützt zu werden.

Bleib logisch… mit Bleilo

Bleilo, das ist Bleilo und sein Kameramann. Bleilo – Das sind Videos u. a. über «feministische Mythen», über Rassismus, Sexismus und sonstige (un-)logische Dinge, die es wert sind, genauer beleuchtet zu werden. Bleilo – Das ist der Mann mit der Maske. Wobei, Mann…?

Damit man sich vermehrt auf den Inhalt fokussiert, tritt er mit einer Maske auf und wird dabei kongenial von seinem Kameramann in Szene gesetzt. Die Videos wirken durchwegs gut choreografiert und machen wirklich Spass. Was man höchstens kritisieren kann ist die Länge. Denn, eigentlich sind sie viel zu kurz jeweils.

Wer Bleilo unterstützen möchte, kann das natürlich mit einem kostenlosen Abo auf Youtube (und ganz vielen «Daumen hoch») tun oder aber er spendet monatlich einen gewissen Obulus. Und ich denke, Bleilo, inkl. Kameramann ist das durchaus wert!

SallyIsG4y – Der coole Skeptiker von nebenan

Anders als Bleilo tritt SallyG mit offenem «Visier» auf. Auch er kritisiert und kommentiert gesellschaftliche Themen und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Seine Kritiken sind jedoch immer sehr sachlich und nachvollziehbar.

Sehenswert sind definitiv seine Videos, in denen es um den Islam geht.

Auch SallyG kann man mit einem Abo (und vielen «Daumen nach oben») unterstützen. Aber auch er hat einen Patreon-Account und ist sicherlich über jede Spende froh. Verdient hat er sie allemal.

Der stark «Pigmentierte»

Gedanken zur aktuellen Rassismus-Debatte…

Ich habe mir lange überlegt, ob ich zur aktuellen und allgegenwärtigen Rassismus-Debatte etwas schreiben soll. Eigentlich habe ich in früheren Beiträgen bereits alles gesagt. Zurzeit äussern sich viele Leute zu dieser Thematik. Egal ob Promi oder Sachkundiger.

Der Trigger.

Dass ich mich nun dennoch äussere, «verdanke» ich zwei Situationen:

In einer ersten wurde ich von einer Person, dessen Meinung ich sehr hoch schätze, darauf hingewiesen, dass sich mein politischer Standpunkt über die Zeit geändert hätte. In der zweiten wurde ich von «meiner» Partei aufgefordert, als «stark pigmentierter» Mensch zu diesen Positionen Stellung zu nehmen, denn ich würde mich damit ja am besten auskennen.

Das war der «Trigger», der mich zu diesem Text gebracht hat.

Zuerst einmal: Der allgegenwärtige Rassismus erstaunt mich nicht. Es gab ihn immer und wird ihn wohl immer geben. Manchmal tritt er öffentlicher, manchmal versteckter auf. Da hilft es nicht, wenn man rassistische Posts (oder solche, die man dafür hält) meldet oder Nachbarn, Mitbewohner, Mitarbeiter, etc. als «Nazi» abstempelt. Das löst weder die Problematik, noch wird es der Sache gerecht. Deshalb melde ich solche Posts auch nicht.

Für mich geht die Meinungsfreiheit extrem weit. Von persönlichen Angriffen, Diffamierungen, etc. abgesehen, können Menschen meinetwegen jede, für mich noch so «krude», Meinung äussern. Das bedeutet nicht, dass ich jede Meinung akzeptiere oder dass ich jede Meinung gut finde. Das bedeutet nur, dass ich die andere Meinung dulde. Und manchmal ist es mehr ein «Ertragen» als ein «Erdulden». Aber so ist das Leben. Es können und sollen nicht alle genau gleich denken und fühlen wie ich.

Deshalb soll jeder Mensch seine eigene Meinung äussern, egal wie extrem sie ist. Diese Freiheit hat er. Diese Freiheit schliesst aber auch ein, dass er sich damit zum Deppen macht.

Drum halte ich von Löschaktionen nichts. Was bringt es? Man «säubert» seine eigene Welt von Meinungen, die zugegebenermassen wirklich menschenfeindlich sind. Aber, auch wenn man auf den «Melde»-Button drückt, auch wenn sie so digital verschwindet, so schwirrt sie doch irgendwo noch rum. Aus den Augen, aus dem Sinn. Auch eine Möglichkeit.

Vielleicht sollte man sich also von der Vorstellung verabschieden, dass es eine Welt ohne Rassismus geben kann. Vielleicht sollte man sich mit der Vorstellung anfreunden, dass es Menschen gibt, die Angst vor Unbekanntem, vor «Fremdem» haben. Vielleicht sollte man auch für möglich halten, dass es Menschen gibt, die in Flüchtlingen in erster Linie eine Bedrohung sehen. Vielleicht sollte man sich der Tatsache stellen, dass die Politik mit gewissen Situationen hoffnungslos überfordert ist. Und vielleicht auch damit, dass einige Parteien bewusst «Ängste» (die durchaus real vorhanden sein können) schüren, während andere Parteien, diese nicht ernst nehmen. Vielleicht…

Gerade von meiner Partei hätte ich mir mehr gewünscht. Definitiv und ich bin sehr stark am Zweifeln ob ich dort noch Werte finde, mit denen ich mich identifizieren kann. Sich für die Schwachen einzusetzen heisst nun mal, auch unpopuläre Dinge zu sagen, den Menschen den Spiegel vorzuhalten. Auch und gerade ohne Rücksicht auf eventuelle (Sitz-)Verluste. Aber wenn man, aus Angst vor dem übermächtigen «Gegner» schweigt, hat man bereits kapituliert.

Ich weiss, das klingt stark nach Resignation. Und vielleicht habe ich auch resigniert. Insofern hat sich meine Einstellung wohl tatsächlich ein wenig geändert. Früher dachte ich, dass ich Menschen ändern könnte. Dass ich Menschen mit meinen Worten erreichen könnte. Doch dazu müsste ich heutzutage schreien (oder irgendein mehr oder weniger bekannter C-Promi sein). Die Hetzer überschreien. Aber das ist nicht meine Aufgabe. Auch nicht, weil ich «stark pigmentiert» (oder schöner ausgedrückt: «farbig») bin.

Was sollte man nun also tun? Was soll man gegen ein Phänomen tun, dass wohl unsterblich ist? Man sollte mit den Menschen reden. Aber nicht von oben herab. Man sollte ihre Ängste ernst nehmen. Auch und gerade besonders dann, wenn sie für einem selber nicht nachvollziehbar sind. Und man sollte den Menschen erklären, was der Ursprung dafür ist, dass Menschen ihr Hab und Gut, ihre Familien und Freunde, Hals über Kopf verlassen um eine gefährliche Reise zu wagen. Das alles kann man tun. Man kann hoffen, dass sie einen Gedanken daraus mitnehmen und vielleicht erkennen, dass man solche Thematiken nicht losgelöst vom sonstigen Weltgeschehen betrachten kann (Menschen flüchten ja nicht einfach so…). Aber mehr nicht. Und natürlich wird es Zeitgenossen geben, die auch für solche Worte nicht empfänglich sind. Aber um die kümmert sich, sollten sie straffällig werden, das Gesetz.

Und man sollte sich nicht von seinen Vorstellungen verabschieden: Das Rad der Zeit lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Vorbei sind die Zeiten, in denen «Farbige» einen anderen Bürgersteig nehmen mussten, in denen sie wie Menschen zweiter Klasse behandelt wurden. Wir sind in einer multikulturellen Gesellschaft angekommen. Und das ist gut so. Es ist bereichernd und inspirierend. Und es lohnt sich, dafür die Feder zu spitzen und zu schreiben. Ganz ohne Verurteilung Andersdenkender.

Das gilt für Politiker und insbesondere die Medien: Statt immer nur über vermeintliche «Probleme» mit asylsuchenden Menschen zu berichten, wären vielleicht auch positive Erlebnisse erwähnenswert. Zeigen, dass es auch anders geht. Dass das auch nur Menschen wie du und ich sind. Das kann man tun.

Ich habe eine Seite gewählt, weil ich Mensch bleiben will. Und du?

Sexismus und Rassismus

Endlich hat «Social Media» eine ernsthafte Daseinsberechtigung gefunden: Die #Aufschrei-Debatte zeigt sehr gut, wie man mit sozialen Netzwerken Menschen erreichen und – was noch wichtiger ist – den Betroffenen eine Stimme geben kann. Endlich geht es nicht um das Sammeln von «Likes» für bestimmte Zwecke. Nein, ich halte das nicht für schlimm, aber der #Aufschrei bewegt sich doch – zum Glück – in anderen Sphären.

Als Mensch, der zeit seines Lebens mit Rassismus konfrontiert wurde und wird, wünsche ich mir, dass diese Debatte ein Umdenken auslöst. Klar, in der aktuellen Debatte geht es nicht um Rassismus. Oder etwa doch? Nein, Frauen sind natürlich keine Rasse und Rassen sowie deren Einteilung sind ohnehin doof… Und Männer betrachten Frauen hoffentlich nicht als Rasse…

Aber Sexismus hat oft auch mit Rassismus zu tun. Ein Artikel der «Welt Online» vom 09. November 2011 bringt es so auf den Punkt:

«Der Sexismus ist mit einer Neigung zur sozialen Dominanz und mit Autoritarismus verbunden. Das heißt, dass sexistische Menschen Hierarchien und soziale Ungleichheiten akzeptieren. Sie glauben, dass die verschiedenen Gruppen den Status haben, den sie verdienen, und das die Klasse, zu der sie gehören, die Beste ist.»

Für mich bedeutet das, dass man sich am liebsten nur mit Menschen aus der eigenen Gruppe und/oder aus einer «hierarchisch tieferen» Gruppe zusammentun sollte. Eine sehr bedenkliche Tendenz. [Persönliche Erfahrung: «Mit dir wäre ich gerne zusammen, aber deine Hautfarbe ist ein Problem…»]

An der ganzen Sache sind die Medien ja nicht ganz unschuldig: Sendungen wie «Auf Brautschau im Ausland» wollen uns folgendes zeigen: Die «armen» Männer bekommen hier keine Frauen und «müssen» sich im Ausland ein «Dummchen» anlachen. Sendungen dieses Kalibers gibt es zur Genüge. Die Kultur der Einheimischen wird auf die Schippe genommen und – immer unter dem Aspekt der «westlich zivilisierten» Welt kritisiert. Sodass der «08/15»-Zuschauer am Ende denken muss dass diese Männer den Frauen ja noch einen Gefallen tun, sie aus dieser armen Welt zu «retten». Der Völkerverständigung und der Verständigung zwischen Mann und Frau dienen solche Formate nicht.

Natürlich: Die Protagonisten werden in der Show selber gnadenlos vorgeführt und realisieren – falls überhaupt – erst viel später, was mit ihnen geschehen ist. Ihnen kann man insofern einen Vorwurf machen, als das sie hätten wissen müssen, was auf sie zukommt. Aber zugleich sind sie eben auch Opfer einer Unterhaltungsindustrie, die das Vorführen von Menschen als Unterhaltung propagiert.

Was ich mir in der aktuellen Debatte wünschen würde: Dass die Medien insbesondere auch TV-Sender, ihre Verantwortung wahrnehmen und ihre Sendungen einmal auf den Prüfstand stellen. Es kommt nämlich nicht von ungefähr, dass einige Zeitgenossen so ein krudes Frauenbild haben…

Liebe zur Schweiz…

Inspiriert durch einen Blogpost von Philippe Wampfler will ich heute mal von meiner «Liebe zur Schweiz» schreiben. Nach meinen letzten Beiträgen, alle rund um das Thema «Rassismus» und meine Kindheitserlebnisse, könnte man wahrscheinlich denken, dass «Liebe» wohl ein falsches Wort ist…

Meine «Liebe» zur Schweiz ist in erster Linie eine tiefe Zuneigung zu Personen. Zuerst wären das mein Vater und meine Mutter, die sich damals, vor über dreissig Jahren auf das Abenteuer eingelassen haben, ein Kind zu adoptieren. Und wer sich mit Adoptionen beschäftigt, der weiss, wie «umständlich» diese sind, wie viel «Papierkrieg» es bedeutet. Und wie viel Geduld von wartenden Eltern.  Es waren in das damalige Abenteuer auch andere Menschen involviert, die alle weiter sahen, als es damals, in den 1970er üblich war. Auch ihnen gebührt meine tiefe Zuneigung.

Ich bin nicht patriotisch aufgewachsen. Den «1. August» habe ich nie gemocht. Ich mag unnötigen Krach nicht und gehe ihm aus dem Weg. Ich konnte nie verstehen, warum man unverhältnismässig viel Geld in die Luft schiesst.

Erst viel später wurde ich politischer. Bereits aus meiner Vergangenheit wusste ich, dass es wohl ein «Normalzustand» ist, wenn man als nicht «typischer» Schweizer angefeindet wird. Ich wusste aber auch, dass das nicht rechtens war. Deshalb fing ich an, mich für Politik zu interessieren. Es gab eine Zeit in der Schule, in der ich der einzige war, der die sieben Bundesräte mit vollem Namen, Partei- und Departementszugehörigkeit kannte. Eine grosse Leistung, wenn man von Leuten umgeben war, die stets betonten, dass sie «schweizerischer» als ich waren.

Die «Schweiz» als «Institution», als Land, kann ich nicht lieben. Sie hat mir nichts gegeben und – zugegebenermassen – auch nichts verlangt, wenn man von meinem Geld in Form von Steuern und meiner Zeit in Form von Zivilschutz absieht. Mein «Patriotismus» hält sich in sehr überschaubaren Grenzen – er ist schlicht nicht vorhanden. Ich denke nicht in Landesgrenzen. Diese sind immerhin im Gegensatz zu denjenigen in den Köpfen der Menschen fass- und veränderbar.

Wenn mein «Patriotismus» nicht vorhanden ist, was liebe ich dann an der Schweiz? Ich mag die Menschen. Nicht alle, einige. Eigentlich nur sehr wenige. Aber ich freue mich, dass es immer mehr Menschen gibt, die mir zeigen, dass man auch über äusserliche Unterschiede hinweg, gleich denken und handeln kann. Ohne Unterschiede. Dafür braucht es, denke ich, keine «Schweiz».