Sommerloch? Die Todesstrafe in der Schweiz…

Das Sommerloch, welches für vielerlei Dinge jedoch ausdrücklich nicht für Langeweile verantwortlich gemacht werden kann, sollte eigentlich inzwischen wieder seriöseren Nachrichten und Themen Platz gemacht haben. Weit gefehlt: Neben der allgegenwärtigen «EU»-Phobie, tummeln sich Wölfe, Rinder, Schafe und neuerdings sogar Todesstrafen-Befürworter in den Medien.
Nun könnte man es natürlich gut finden, wenn auch über «Tabus» wie die «Todesstrafe» ja nun einmal seit einigen Jahrzehnten hier ist, wieder diskutiert wird. Die Initiative, die unter anderem von Marcel Graf, offenbar einem Angehörigen eines Opfers, mitgetragen wird, verlangt im Wortlaut ungefähr folgendes:

«(…)die Wiedereinführung der Todesstrafe bei «Mord mit sexuellem Missbrauch(…)»

Dabei zeigt sich der Schweizer Mob wieder einmal von der besten Seite. Aber ich sagte es ja schon früher: Diskussionen um Kinder, Tiere oder Sex sind nicht möglich. Warum? Weil der Verstand ausgeschaltet und mit dem Bauch diskutiert / argumentiert / disputiert wird.

Die Diskussionen auf nzz.ch oder auf tagesanzeiger.ch lassen finsteres erahnen. Natürlich sind für all die zweifelsohne schrecklichen Verbrechen die Urheber ausgemacht: Die «Linken» und die «Netten», die mit ihrer «Kuscheljustiz» die Täter nur verhätscheln. Natürlich, die «Linken» und «Gutmenschen» sind schuld. Wann sind sie das eigentlich nicht?

Wohlgemerkt und das ist ja wohl das Pikante an dieser Initiative: Es geht nur um Tötungsfälle in Zusammenhang mit Sexualverbrechen. Wenn nun also ein Bankräuber eine Geisel erschiessen würde, würde der nicht hingerichtet. Als ob ein Mord höher zu gewichten sei als ein anderer…

Richtiggehend perfide finde ich dann solche Aussagen, wie man sie z. B. auf «Tagesanzeiger Online» in den Kommentaren nachlesen kann:

«(…) Ich frage Sie dann nochmals, nachdem jemand in Ihrem Bekanntenkreis das Opfer eines Sexualverbrecher geworden ist (die kommen ja nach ein paar Jährchen wieder frei). (…) Diese armen Sexualverbrecher – denen muss doch ein Luxusaufenthalt in einer Edelklinik vergönnt sein oder ? Sie haben ja nur einen Angehörigen auf brutalste Weise umgebracht, na und? »

Es scheint, als hätte die Trollproduktion gerade eine neue Hochkonjunktur erlebt. Dabei zeigen die meisten solchen Kommentatoren ihr wahres, ziemlich primitives Gesicht. «Auge um Auge. Zahn um Zahn.» fordern sie, sind aber letztlich sehr inkonsequent… Denn, es gibt ja auch noch Morde aus anderen Gründen. Hat ja nicht alles mit Sexualität zu tun, oder?

Menschen sind in der heutigen Zeit offen für populistische Forderungen. Dies, obwohl sie insgeheim eigentlich wissen müssten, dass diese nichts bringen. Aber, da der Mensch ja ein ängstliches Herdentier ist – womit wir wieder mal bei Schafen und Wölfen sind – läuft er blindlings hinter einem Rattenfänger – schon wieder eine Märchenfigur – hinterher, der ihnen den Himmel auf Erden oder zumindest gewaltig mehr Sicherheit auf unseren von Ausländern geputzten und asphaltierten Strassen verspricht.

Einfach widerlich.

Es hat sich übrigens auch MeLa vom Projekt sinnfrei darüber schon so ihre Gedanken gemacht…

Dabei frage ich mich, ob das nun alles kleine Schafe sind, oder nur als Schafe verkleidete Wölfe, die nur darauf warten, anzugreifen…

Sippenhaftung?

Die 50-jährige Frau und ihre drei Töchter hatten im Juni 2008 bei der Bürgergemeinde von Scharans ein Gesuch um die Erteilung des Schweizer Bürgerrechts gestellt. Im April 2009 sicherte die Bürgerversammlung den Töchtern das Bürgerrecht der Gemeinde zu, verweigerte es aber der Mutter.

Als Grund für die Ablehnung nannte die Bürgergemeinde die Ehe der Einbürgerungswilligen mit einem Mann, der zu Beginn der Neunzigerjahre wegen bandenmässigem Diebstahl in der Schweiz verhaftet und ausgeschafft worden war. Der Mann lebe nun zwar in Wien, habe aber trotz der grossen räumlichen Distanz einen starken, negativen Einfluss auf die Familie.

Aber es gibt ja zum Glück noch Behörden, die ihren Verstand benutzen…

Das Verwaltungsgericht gab der Bosnierin auf der ganzen Linie Recht und richtete deutliche Worte an die Scharanser Bürgergemeinde. Der Ablehnungsentscheid sei in grobem Masse willkürlich und die Forderung einer Scheidung schlichtweg gesetzes- und verfassungswidrig. Die Argumentation der Gemeinde erscheine mehr als gesucht und sei aufgrund der Aktenlage nicht nachvollziehbar.

Via http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Einbuergerung-Verlassen-Sie-Ihren-Mann/story/26351120

«Heute sind wir alle Sozialdemokraten»

Chile hat sich zur südamerikanischen Antwort auf das nordische Modell entwickelt. Darunter versteht man die Wirtschaftspolitik der skandinavischen Staaten. In Details mögen sich Schweden, Dänemark, Finnland und Norwegen unterscheiden, im Grossen und Ganzen wollen jedoch alle das Gleiche: wirtschaftliche Effizienz und soziale Gerechtigkeit unter einen Hut bringen. Deshalb wird in Skandinavien der Wirtschaft so weit wie möglich freie Hand gelassen – die Beamten verstehen sich nicht als Manager. Der Staat sorgt vielmehr dafür, dass die unsozialen Auswüchse der Marktwirtschaft ausgeglichen werden. Das hat sich bewährt: Die nordischen Staaten gehören zu den wirtschaftlich erfolgreichsten Staaten der Welt und haben die glücklichsten Einwohner.

Chiles scheidende Präsidentin Michelle Bachelet hat in ihren beiden Amtsperioden das Gesundheitssystem, die Renten und die Kinderzulagen ausgebaut. Sie sorgte dafür, dass die Profite aus dem einträglichen Kupfergeschäft – wie die Erdölgewinne in Norwegen – der Gesamtheit zugutekommen. Das hat der Sozialistin eine Zustimmung von 75 Prozent eingetragen und im Volk eine neue Mentalität entstehen lassen. «Heute sind wir alle Sozialdemokraten», sagte der Soziologe Eugenio Tironi dem «Economist».

Quelle: http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/konjunktur/Suedamerikas-Erfolgsmodell/story/21088617

Vom Iran und China…

Dass China einen britischen, offenbar psychisch gestörten, Staatsbürger Akmal Shaikh hingerichtet hat, weiss wohl inzwischen die ganze Welt. Die Reaktionen schwanken zwischen Empörung und heimlicher Genugtuung, hatte doch Akmal Shaikh vier Kilo Heroin ins Land geschmuggelt…

Erstaunlich, wenn im Iran Demonstranten und Oppositionelle willkürlich verhaftet, gefoltert und ins Gefängnis gesteckt werden, ist der Aufschrei in der «westlich-zivilisierten» Welt gross.

Nicht, dass ich die beiden Ereignisse gegeneinander aufwägen will. Was im Iran geschieht ist wirklich tragisch (und wie viel davon «manipuliert» wird um uns dementsprechend «gegen» das «Regime» aufzuhetzen wir «noch» nicht…) und muss von jedem humanistisch veranlagten Wesen natürlich verurteilt werden.

Wir sollten bei all dieser «Aufregung» jedoch nicht vergessen, dass mit China ein weitaus grösserer «Feind» der «Demokratie» vorhanden ist, der sich einen Deut um seine Bevölkerung kümmert, bereits seit Jahrzehnten Tibet besetzt und auch sonst sehr unzimperlich mit «Verbrechern» und «Regimegegnern» umspringt…

Ich würde die «Empörung» gegenüber dem Iran vielleicht weniger als Heuchelei empfinden, würde man sich gegen China auch so deutlich aussprechen. Aber das geht ja nicht… Wie sagt ein altes Sprichwort so schön? «Geld regiert die Welt.»

Altfeministin und junge Muslima im Interview…

Bis gestern kannte ich die Schweizer «Version» von Alice Schwarzer, die «Altfeministin» wie sie auch von Tanja Walliser (JuSo) bezeichnet wird, Julia Onken (dipl. Psychologin, Psychotherapeutin, Autorin, Ausbildung in Gesprächs-, Gruppen- und analytischer Paartherapie, Weiterbildung Sprach- und Lauttherapie) nicht. Wie gesagt bis gestern. Da fand ich auf «20min.ch» einen äusserst lesenswerten Artikel bzw. ein Interview (Teil 1 und Teil 2), welches Onken und eine strenggläubige Muslima führten. Selten habe ich mich dermassen über ein solches Gebahren aufgeregt. Dabei spielt es keine Rolle, dass sich Onken gerne als Verfechterin für die Frau einsetzt. Unter anderem geht es im Interview auch um den «Aufruf», den Onken an die Frauen gemacht hat, diesen kann man hier nachlesen.

(…)Auch Männer sind lernfähige Wesen. Mein Schäferhund ist beispielsweise sehr wohl in der Lage, neben mir zu sitzen, während ich ein Salamibrötchen esse. Er sitzt da und der Geifer tropft ihm aus dem Maul. Ich sage: Sitz! Und er bleibt sitzen. Wenn das bei einem Schäferhund möglich ist, dann muss es auch Männern möglich sein, sich in Gegenwart einer Frau beherrschen zu können, auch wenn sie ihn vielleicht erotisch stimuliert.(…)

Bereits mit diesem Vergleich disqualifiziert sich Onken schon selber. Männer mit Schäferhunden zu vergleichen ist wohl kaum der richtige Weg um die – teilweise noch vorhandene – Diskriminierung von Frau und Mann zu beseitigen.

(…)Dann müssen wir an dieser Stelle festhalten: Es gibt nicht einen Islam. Es gibt offenbar verschiedene Islame. Aber warum zeigt ihr euren offenen, humanistischen Islam nicht öffentlich? (…) Es wäre eure Aufgabe, so etwas richtig zu stellen und euren Glaubensgenossen die Barbarei auszutreiben.(…)

Ich weiss ja nicht, in welcher Welt Onken lebt, aber so was ist ja ganz normal. Es gibt ja nicht einfach auch ein Christentum, oder? Wie unwissend muss man sich da schon stellen? Und wenn wir schon im Christentum sind: Entschuldigen sich etwa Bischöfe aus der Schweiz dafür, dass irische Priester sich an kleinen Jungs vergehen?

Ich wollte eine Diskussion, und die ist lanciert. Das Minarett ist nur ein Symbol. In einer Partnerschaft zum Beispiel verhält es sich ähnlich: Sie parkiert ihr Auto immer so saublöd in der Garage, dass er nebenan keinen Platz mehr hat, er macht den Klodeckel prinzipiell nicht zu. Das sind alles Symbole, mit denen der Streit anfängt. Dahinter aber stecken gegenseitige Kränkungen, die nie zur Sprache kamen, also ein ganzer Rattenschwanz an Emotionen – und genauso verhielt es sich jetzt bei der Minarett-Initaitve. (…) Auch ich bin für viele zur Rassistin geworden seit meiner Empfehlung.

Ich habe selten so dämliche wie auch kindische Vergleiche gelesen. Man kann ja auch alles überinterpretieren, oder? Und wenn sie eine Diskussion hätte initiieren wollen, hätte sie das durchaus auch tun können – aber nicht so.

Aber wo waren diese Leute, die Sie nun als bekennende Muslimin anfeinden, vor der Abstimmung? Hat man Ihnen etwas vorgemacht, etwa Toleranz vorgetäuscht? Darum geht es mir. Dass wir vorher in einem solchen Zwang waren, die unguten Gefühle gegenüber dem Islam nicht aussprechen zu dürfen.

Ungute Gefühle? Ich nenne das Unwissenheit und vor allem eine erschreckend salonfähig gewordene Islamphobie unter dem Deckmantel des «Frauenschutzes». Jetzt ist die Büchse der Pandora ja geöffnet, jetzt darf man hemmungslos kritisieren. 57 % Ja-Anteil legitimieren ja dazu…

Interessant ist auch die Antwort ihrer Gesprächspartnerin Sara, einer Schweizer Muslima am Ende des Interviews auf die Frage nach den Unterschieden zwischen ihr und Onken:

In der Tendenz zur Verallgemeinerung. Es ist nicht alles muslimisch, was unterdrückt wird. Nehmen Sie es nicht persönlich, aber ich sehe vor allem mangelnde Kenntnisse über unseren Glauben. Ein Urteil über den Islam erfordert ein vertieftes Verständnis für diese Religion.

Genau das ist der springende Punkt. In dieser Debatte tümmeln sich Leute, die nicht wirklich viel Ahnung über das Thema haben, oder alles, was sie sehen, durch ihre «westliche» Brille sehen (wollen). Das schadet dem Thema. Das «Ja» zur Minarett-Initiative macht es den hier lebenden Muslimen nicht einfacher. Wieder werden sie gebrandmarkt, ähnlich wie nach dem «09/11». Ob es gewisse Parallelen zur Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung in Europa um die 1930er Jahre herum gibt, vermag ich nicht zu beurteilen. Aber einige Tendenzen sind schon erkennbar.

Übrigens, Tanja Walliser hat sich die Mühe gemacht und Onken auch einen offenen Brief geschrieben. Wirklich lesenswert. Ich fürchte allerdings, dass der Brief beim Empfänger nix gebracht hat…