#ichdiemehrheit zum 2.

Glücklicherweise stehe ich mit meiner Kritik an #ichdiemehrheit nicht alleine da. Die äusserst kompetente und schlagfertige Bettina hat darüber ebenfalls gebloggt und in einem zweiten Beitrag gleich nachgelegt.
Seit meinem gestrigen Beitrag ist einige Zeit vergangen, er wurde viel angeklickt und in den sozialen Medien weitergereicht. Kommentiert wurde er bislang nur auf Twitter. Dies kann einerseits auf eine gewisse Qualität hindeuten (was mich sehr erfreut… :) ) oder auf eine gewisse Langeweile (was mich natürlich weniger erfreut… :) ). Aber nichtsdestotrotz habe ich entschieden, es Bettina gleich zu tun und einen weiteren Artikel zu schreiben…

Im letzten Artikel habe ich dargelegt, warum ich das Experiment als gescheitert betrachte. Im nun folgenden Artikel sehe ich mir einmal die «Abstimmungen» näher an…

In der Abstimmung (alle Abstimmungen finden sich hier) vom 03.05.2014 ging es um eine ethisch-emotional heikle Frage: Soll jeder Bürger automatisch Organspender sein, ausser er lehnt dies ausdrücklich ab?

Screenshot_001

Eine sehr interessante und sehr heikle Frage. Zu dieser Frage schreibt «Pony M» aka Yonni Meyer folgendes Fazit:

«Heute war ein thematisch unglaublich spannender Tag, mit sehr interessanten Diskussionen.
Die Mehrheit von Euch ist für die Widerspruchslösung, welche alle Bürger automatisch zu Organspendern macht. Und doch hatte sie vor dem Ständerat im letzten Winter keine Chance. Es lässt sich vermuten, dass dieses hoch emotionale Thema bald wieder angegangen wird.»

Weder auf ihrer «Facebook»-Seite noch auf der Seite von «SRF Kultur» habe ich irgendeine Diskussion gefunden. Dafür, dass es um Demokratie geht, dafür dass es um die Politikverdrossenheit der «Jungen» geht, ist das Fazit doch erstaunlich dünn (wie soll man so wirklich Diskussionen anregen und Leute zum abstimmen animieren?) und eigentlich nicht viel mehr als eine nicht-repräsentative Binsenweisheit.

Aber auch Tag 6 (02. Mai 2014) hatte es in sich: Wirklich wichtige Fragen mussten entschieden werden und da «Pony M» offenbar sehr unentschlossen war, musste wieder einmal die «Mehrheit» für sie entscheiden. In früheren Zeiten hätte man sich gegen eine solche Bevormundung gewehrt. Heute kommt man damit also schon in die nationalen gebührenfinanzierten Medien…

Screenshot_002

Die Frage von Tag 5 (01. Mai 2014) finde ich sehr interessant.

Screenshot_003

Denn gerade diese Frage (und deren Resultat) zeigen, dass es nicht funktionieren _kann_. Wie bereits im vorherigen Artikel erwähnt, kann man bei #ichdiemehrheit mehrfach abstimmen. Wie sollen denn nun «Online-Abstimmungen» funktionieren, wenn bereits diese Abstimmungen hier nicht sauber verlaufen können?

Gefühlte 90 % der Fragen haben mit Demokratie nichts zu tun. Sie betreffen «Pony M» persönlich und können demzufolge auch nicht von der «Mehrheit» gelöst werden.

Persönliches Fazit

Ich ziehe hier nun «mein» persönliches Fazit: Das Format dient, dies hat bereits Bettina in ihrem glänzenden Artikel erkannt, dem Aufbau einer Marke, nämlich «Pony M». Das ist zumindest aus zwei Gründen unseriös:

  1. Nach welchen Kriterien wurde «Pony M» ausgewählt? (Inwiefern ist sie «repräsentativ» für die «Jugend»?)
  2. «Pony M» profitiert als einzige Persona von dieser Aktion. Sie kann ihren Bekanntheitsgrad steigern (was sich früher oder später in bare Münze umwandelt) – ist es tatsächlich die Aufgabe eines gebührenfinanzierten Senders einen «C-Promi» derart zu pushen?

Das Signal, das mit diesem Format ausgesendet wird, ist verheerend. Es lässt die Demokratie, für die andere Menschen täglich ihr Leben riskieren müssen, für die unsere Vorfahren ihr Leben kämpfen mussten, zu einer dumpfen «Voting»-Maschinerie verkommen. Schade.