Demokratie… und so…

(Den folgenden Text habe ich exakt heute vor 3 Jahren begonnen… Leider hat er an Aktualität nichts verloren, deshalb stelle ich ihn fertig und online…)

Früher als ich noch in die Schule ging, als die Welt noch geordnet schien und es nichts gab, das mich hätte beeindrucken können, habe ich mir oft vorgestellt, ich wäre ein Bundesrat und würde die Geschicke des Landes in meinen Händen halten.

Heute kann ich abstimmen gehen, kann «meine» Vertreter nach Bern schicken, damit diese dann nach meinem Gusto regieren. Doch, halt, so einfach ist das ja nicht. Da gibt es noch einen Haufen anderer, die ebenfalls an Wahlen und Abstimmungen teilnehmen und so sind wir dann in der Situation, dass man selten nur die eigenen Politiker im Parlament wiederfindet und oftmals noch viele, die einem nicht wirklich genehm sind.

Wir leben in einer Demokratie. Aber diese Demokratie heisst letztlich, sich dem «Willen» einer Mehrheit zu beugen. So idiotisch es auch klingen mag, von einer Mehrheit zu sprechen, wenn nur etwa dreissig Prozent wählen gehen und damit de facto über die anderen siebzig Prozent bestimmen (können).

Man kann natürlich niemanden zwingen, wählen und abstimmen zu gehen, denn dann wäre es ja keine «Demokratie» mehr.  Und bereits Tocqueville warnte vor der « Tyrannei der Mehrheit». Natürlich gibt es Gesetze und Regelegungen um Minderheiten zu schützen – aber nicht immer werden diese auch eingehalten.

Das kann man auch gut an den letzten Abstimmungen erkennen, die teilweise sehr polarisierend waren: Vorlage Nr. 554 («Für den Schutz vor Waffengewalt» ) hatte lediglich eine Stimmbeteiligung von ca. 48.8 % – also nicht einmal die Hälfte der (stimmfähigen) Bevölkerung! Vorlage Nr. 552 («Für die Ausschaffung krimineller Ausländer (Ausschaffungsinitiative)») lockte nur 52.6 % der stimmfähigen Bevölkerung hinter dem Ofen hervor.

So schafft es also eine Minderheit, anderen ihren Willen aufzudrängen, natürlich immer unter dem Deckmantel der Demokratie… Berücksichtigen wir nun, dass von der gesamten Einwohnerzahl der Schweiz nur ein Bruchteil stimmberechtigt ist, sieht es schon ein wenig düsterer aus. Es hat wohl schon seine Gründe, weshalb die rechten (bürgerlichen) Parteien den Ausländern, die hier arbeiten – und Steuern bezahlen! – das Stimmrecht verwehren… Dies ist übrigens mit ein Grund, weshalb die Schweiz in einem «Demokratie-Ranking» nicht einen der vordersten Plätze belegt.

Mangelhafte politische Beteiligung in der Schweiz
Die Schweiz erweise sich zwar hinsichtlich der Erfüllung individueller Freiheiten, aktiver Öffentlichkeit, Wettbewerb und Regierungsfähigkeit als ein demokratisches Musterland, heisst es weiter. Gewaltenkontrolle, Transparenz und Partizipation würden aber nur sehr schlecht umgesetzt.
In der Schweiz könne die Legislative die Regierung nur «sehr unzureichend kontrollieren», die Judikative sei im Vergleich mit anderen Demokratien «nicht sehr unabhängig». Zudem gebe es keine transparente Parteienfinanzierung, heisst es weiter.
Ausserdem befinde sich die politische Partizipation sowohl bei Wahlen als auch bei Abstimmungen auf einem sehr niedrigen Niveau. Ein grosser Teil der Schweizerinnen und Schweizer beteilige sich nicht an der Politik.
Beteiligen würden sich vor allem Gebildete, Wohlhabende, Ältere und überproportional Männer. Vom Ideal einer Demokratie, in der alle Bürgerinnen und Bürger sich politisch engagieren und deren Interessen und Werte gleichmässig in die politische Arena gelangen, ist die Schweiz laut Barometer «weiter als die meisten anderen Demokratien entfernt»

(«Tagesanzeiger Online»)