Die SVP und Norwegen

Heute war ein Flugblatt der SVP im Briefkasten. "Masseneinwanderung stoppen!" – Volksinitiative zum 1. August 2011. Auf einer Doppelseite erklärt die schweizerische Volkspartei, warum wir eine angebliche Masseneinwanderung haben, die es zu stoppen gilt.

Vor einer Woche, am 22. Juli 2011, ermordete ein politisch motivierter, offenbar psychisch Kranker, über 70 Menschen in Norwegen. Als Beweggründe gab er unter anderem eine schleichende Islamisierung Europas an.

Die SVP, insbesondere deren islamkritische Exponenten wie z. B. Oskar Freysinger bemühten sich sofort, sich von diesem vermeintlichen "Einzeltäter" zu distanzieren, ihn in die psychisch-kranke Ecke zu drängen.

Dank Philippe Wampfler (Twitter, Blog) bin ich auf folgenden Artikel auf sueddeutsche.de gestossen. Unter anderem folgende Passagen finde ich ziemlich bemerkenswert:

"Der 22. Juli 2011 hat gezeigt, dass die greifbarste Frucht der islamkritischen Aktivitäten bislang nirgendwo die Zurückdrängung des Islams ist, sondern nur die Spaltung eben derjenigen Gesellschaft, für die die Islamkritik zu sprechen vorgibt, die sie verteidigen und stärken will. Die anderen, lernen wir jetzt, sind wir selbst. Die Anti-Islam-Bewegung hat nicht den Hass gegen den Islam, sondern den gegen das heutige Europa hochgepäppelt, gegen jeden europäischen Bürger und erst recht jeden Politiker, der den Makel hat, sich nicht von ihr irre machen zu lassen.

Niemand, nicht einmal die entschiedensten Kritiker der Anti-Islam-Bewegung, haben das ganze Ausmaß dieses autoaggressiven Potentials erahnen können. Vielmehr haben wir uns von der Rhetorik der Anti-Islam-Bewegung, ja vom bloßen Namen "Islamkritik" in die Irre leiten lassen. In Wahrheit ist der Islam hier nur die (stark überstrapazierte) Bande, über deren Umweg die Kugeln der Kritik die eigene Gesellschaft anstoßen sollen. Die Islamkritiker kritisieren den Islam und meinen die eigene Gesellschaft, die nicht so ist, wie sie sie sich wünschen."

(Quelle: sueddeutsche.de)

Stefan Weidner, der Autor des Artikels, vertritt eine interessante These: Den Islamkritiker geht es weniger um den Islam sondern mehr um diejenigen Menschen, die für andere (Moral-)Vorstellungen stehen.

Interessant ist das deshalb, weil die meisten Islamkritiker sich viel weniger von den Fundamentalisten unterscheiden, als sie wahrhaben wollen.

So gibt es ziemlich offensichtliche Gemeinsamkeiten zwischen den Muslimbrüdern in Ägypten und der SVP. Beide spielen mit der Angst der Menschen vor Veränderungen. Vor der Angst, die Identität zu verlieren. Einen diesbezüglichen Blog-Artikel findet sich auch im "Polit-Blog" des Tagesanzeigers. Die Kommentare der Pro-SVP-Schreiber lassen übrigens sehr tief blicken.

Die SVP ist – wie die anderen rechts-konservativen Parteien – nicht schuld am Massaker in Norwegen. Dafür muss sich der geständige Täter alleine verantworten. Moralisch kann und sollte man sie aber zur Verantwortung ziehen. Die Welt verändert sich und das wird sie auch weiterhin tun – Menschen mit Angst und Misstrauen gegeneinander aufzuhetzen wird dabei nicht viel ändern.

Warum Schweizer die SVP nicht wählen (sollten)

„Schweizer wählen SVP“ – und alle anderen? Was wählen Menschen,die keine rassistische und von Ängsten geprägte Politik wählen wollen? Die nicht auf ein reines Schwarz/Weiss-Denken aus sind?

Die Schweizerische Volkspartei (SVP) hat als Slogan für die kommenden Wahlen im Herbst folgenden sehr prägnanten und sehr endgültigen Satz: „Schweizer wählen SVP“.

In einem Weblog habe ich folgenden Slogan gefunden: „SVP Politik ist ehrenhaft – Schweizer wählen SVP !“ (Quelle: http://www.judith-uebersax.ch/)

SVP Politik ist vermutlich vieles, aber definitiv nicht ehrenhaft. Vor allem aber polarisiert sie wie keine zweite Partei.


(Legende: „SVP“-Plakat, daneben der Spruch: „Alles andere…? Sind EU-Lutscher“)

Das obenstehende Foto habe ich bei einem meiner letzten Spaziergänge in unserem Dorf gemacht. Mal von der illegalen Beschmutzung der Wand abgesehen – ich meine damit den Spruch, nicht das Plakat – ist das eigentlich sehr repräsentativ: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.

Die SVP möchte gerne ehrenhaft sein. Ihre Politik und insbesondere ihr Umgang mit Andersdenken ist für Aussenstehende und die Betroffenen manchmal äusserst befremdlich. Dabei bedient sie ihre Wählerschicht mit den passenden Opfer/Täter-Bilder: Auf der einen Seite das „Opfer“ – der Schweizer. Auf der anderen Seite der böse, nicht integrierte, kopftuchtragende, arbeitsplatzwegnehmende, sozialschmarotzende, scheininvalide Ausländer.

Denn die sind in immer verschiedenen Variationen meistens Schuld an den Problemen in unserem Land. Ausländer und natürlich die Linken, die mit dem bereits von den Nazis geprägten Begriff „Gutmenschen“ abfällig tituliert werden.

Leider können die anderen (Bundesrats-)Parteien nur reagieren statt agieren. Die SVP beherrscht das Spiel mit den Medien und dem Volk wie keine zweite. Leider. Und sie hat eine grosse Geldbörse im Hintergrund, der Marke Blocher.

Ausländer in der Schweiz…

Blogger «Datenmatsch» hat einen Artikel zum Thema «Ausländerpolitik» auf seinem Blog veröffentlicht. Da ich seine Meinung diesbezüglich nicht teile, antworte ich ihm mit einem entsprechenden Gegenartikel. Ziel einer solchen Diskussion ist das Sehen und Verstehen von anderen Argumenten, fernab von jeglichem Schwarz/Weiss-Sehen…

«Der Ausländeranteil ist heute höher als je und liegt heute über einem Fünftel der Wohnbevölkerung. Viele Sprechen inzwischen von einer Krise. In der Politik darf es so nicht weiter gehen, die Einbürgerungsanforderungen sind zu lasch!»

Das ist schlicht gelogen: Die Schweizer Staatsbürgschaft ist relativ schwierig zu erlangen. So müssen die Gesuchsteller unter anderem 12 Jahre warten, bis sie überhaupt ein Gesuch stellen können (dieses dauert dann noch ein paar Jahre) und ist auch nicht unbedingt sehr billig.

Von einer Krise spricht übrigens nur die SVP. Warum? Weil die SVP schlicht nur auf diesem Gebiet stark ist und weil sie nur noch hier Stimmen machen kann. (Es sind halt nicht alle Schweizer subventionierte Landwirte)

«Ein wichtiger Aspekt wird oft vergessen: Die Trennung „Schweizer“ – „Ausländer“ scheint nur auf den ersten Blick so einfach. Folgende Punkte machen dies deutlich:

Viele der Schweizer Bürgerinnen und Bürger sind eingebürgerte Personen.

Anderseits sind viele Ausländer und Ausländerinnen hier geboren oder aufgewachsen (zweite bzw. dritte Generation).»

Wozu benötigen wir denn überhaupt eine Trennung? Sind Menschen ausländischer Herkunft automatisch Menschen zweiter Klasse? Wozu soll das dienen? Solche Trennungen dienen vielmehr dazu, andere Gruppen zu diskriminieren.

«Ausländer sind und bleiben Ausländer (Essgewohnheiten, Sprache, (Religion), Mentalität, usw.) eine parallelgesellschaft wird sich entwickeln. Irgendwann ist die Parallelgesellschaft grösser, und fordert den nötigen Platz etc. Fakt ist,das unser Land langsam untergraben wird!»

Diese Aussage ist wohl die Kernbotschaft: «Ausländer sind und bleiben Ausländer». In ihrer Absolutheit lässt sie nicht einmal Spielraum für «Grenzgänger», zum Beispiel Doppelbürger. Aber solche möchte die SVP ja ohnehin nicht…

Parallelgesellschaften fördern diejenigen, die Ausländer liebend gerne an den Rand der Gesellschaft drängen…

Ich frage mich ja auch, von wem unser Land untergraben wird. Von der kosovarischen Putzfrau, die für einen miesen Stundenlohn schwarz arbeitet und so mit ach und krach ihre Familie durchbringt? Oder ist es vielleicht der deutsche Krankenpfleger, der heimlich nachts eine feindliche Invasion in die Schweiz plant?

Der Artikel hält so weder eine Lösung noch sachliche Ansätze bereit. Schade.

Demokratie… und so…

(Den folgenden Text habe ich exakt heute vor 3 Jahren begonnen… Leider hat er an Aktualität nichts verloren, deshalb stelle ich ihn fertig und online…)

Früher als ich noch in die Schule ging, als die Welt noch geordnet schien und es nichts gab, das mich hätte beeindrucken können, habe ich mir oft vorgestellt, ich wäre ein Bundesrat und würde die Geschicke des Landes in meinen Händen halten.

Heute kann ich abstimmen gehen, kann «meine» Vertreter nach Bern schicken, damit diese dann nach meinem Gusto regieren. Doch, halt, so einfach ist das ja nicht. Da gibt es noch einen Haufen anderer, die ebenfalls an Wahlen und Abstimmungen teilnehmen und so sind wir dann in der Situation, dass man selten nur die eigenen Politiker im Parlament wiederfindet und oftmals noch viele, die einem nicht wirklich genehm sind.

Wir leben in einer Demokratie. Aber diese Demokratie heisst letztlich, sich dem «Willen» einer Mehrheit zu beugen. So idiotisch es auch klingen mag, von einer Mehrheit zu sprechen, wenn nur etwa dreissig Prozent wählen gehen und damit de facto über die anderen siebzig Prozent bestimmen (können).

Man kann natürlich niemanden zwingen, wählen und abstimmen zu gehen, denn dann wäre es ja keine «Demokratie» mehr.  Und bereits Tocqueville warnte vor der « Tyrannei der Mehrheit». Natürlich gibt es Gesetze und Regelegungen um Minderheiten zu schützen – aber nicht immer werden diese auch eingehalten.

Das kann man auch gut an den letzten Abstimmungen erkennen, die teilweise sehr polarisierend waren: Vorlage Nr. 554 («Für den Schutz vor Waffengewalt» ) hatte lediglich eine Stimmbeteiligung von ca. 48.8 % – also nicht einmal die Hälfte der (stimmfähigen) Bevölkerung! Vorlage Nr. 552 («Für die Ausschaffung krimineller Ausländer (Ausschaffungsinitiative)») lockte nur 52.6 % der stimmfähigen Bevölkerung hinter dem Ofen hervor.

So schafft es also eine Minderheit, anderen ihren Willen aufzudrängen, natürlich immer unter dem Deckmantel der Demokratie… Berücksichtigen wir nun, dass von der gesamten Einwohnerzahl der Schweiz nur ein Bruchteil stimmberechtigt ist, sieht es schon ein wenig düsterer aus. Es hat wohl schon seine Gründe, weshalb die rechten (bürgerlichen) Parteien den Ausländern, die hier arbeiten – und Steuern bezahlen! – das Stimmrecht verwehren… Dies ist übrigens mit ein Grund, weshalb die Schweiz in einem «Demokratie-Ranking» nicht einen der vordersten Plätze belegt.

Mangelhafte politische Beteiligung in der Schweiz
Die Schweiz erweise sich zwar hinsichtlich der Erfüllung individueller Freiheiten, aktiver Öffentlichkeit, Wettbewerb und Regierungsfähigkeit als ein demokratisches Musterland, heisst es weiter. Gewaltenkontrolle, Transparenz und Partizipation würden aber nur sehr schlecht umgesetzt.
In der Schweiz könne die Legislative die Regierung nur «sehr unzureichend kontrollieren», die Judikative sei im Vergleich mit anderen Demokratien «nicht sehr unabhängig». Zudem gebe es keine transparente Parteienfinanzierung, heisst es weiter.
Ausserdem befinde sich die politische Partizipation sowohl bei Wahlen als auch bei Abstimmungen auf einem sehr niedrigen Niveau. Ein grosser Teil der Schweizerinnen und Schweizer beteilige sich nicht an der Politik.
Beteiligen würden sich vor allem Gebildete, Wohlhabende, Ältere und überproportional Männer. Vom Ideal einer Demokratie, in der alle Bürgerinnen und Bürger sich politisch engagieren und deren Interessen und Werte gleichmässig in die politische Arena gelangen, ist die Schweiz laut Barometer «weiter als die meisten anderen Demokratien entfernt»

(«Tagesanzeiger Online»)