Ein Wunsch.

Manchmal setzt sich eine kleine Fee auf meine Schulter, schaut mich an und fragt dann, was ich mir wünsche. Ich überlege lange, sehr lange. Dabei beobachte ich auf der Strasse das Treiben. Hektisch gehen Menschen ihren Geschäften nach. Jeder still für sich. Anonym in einer Stadt. Eine Szene wie sie überall möglich ist.

Und dann fällt mir der Wunsch ein. Es ist einer, den ich schon seit Jahren mit mir herum trage. Erfüllen könnte sie nur – wenn überhaupt – die kleine Fee, die schon langsam ungeduldig wird. «Was wünschst du dir denn nun» scheint sie mich vorwurfsvoll zu fragen. Jeder andere hätte sich wohl schon was gewünscht. Reichtum, Macht, Unsterblichkeit oder vielleicht – aber nur vielleicht – den Weltfrieden.

«Schau, liebe Fee», beginne ich. «Es sind eigentlich ganz viele Wünsche, die ich habe. Ich möchte gerne frei leben. Möchte durch die Strassen laufen können, ohne die Blicke auf mich zu ziehen. Ich möchte tun was ich tun will. Sagen was ich zu sagen hätte. Ich möchte leben, ohne Angst.  Und ich möchte eine Zukunft haben. Ein Leben.»

Die Fee schaut lange. Überlegt lange.

«Und? Was wünschst du dir konkret?»

«Ich möchte weiss sein.», antworte ich.

Hoffnungslos

In meinen letzten Posts zum Thema «Rassismus» habe ich mich dazu geäussert was mich wütend macht. Und was ich hasse. Da ich nun gefragt wurde, wie ich denn mit «Andersdenkenden» – in diesem Falle wohl «Rassisten» umgehen würde – hier meine – vielleicht hoffnungslose – Sicht der Dinge.

Wenn man – bildlich gesprochen: unter Feinden – aufwächst, muss man sich anpassen. Muss man die Tretmienen umschiffen und immer auf der Hut sein. Vermeintliche «Freunde» und «Feinde» wechseln sich ab. Was bleibt ist ein tiefes Misstrauen. Deshalb ist man immer sehr vorsichtig mit Meinungen. Versucht sich so gut es geht zu verstecken. Nicht anecken lautet die Devise. Und auch keine Angriffsfläche bieten, indem man andere Meinungen nicht akzeptiert…

Die meisten Menschen mit denen ich zu tun habe, kennen meine politischen Werte. Sie wissen, dass mein Herz fast ausnahmslos links schlägt, ich die «Juso» und die «SP» unterstütze, sofern ihre Ziele auch den meinigen entsprechen. Für mich ist jede Person zuerst einmal ein Mensch, ein Lebewesen mit eigenem Willen, eigenen Gedanken und Vorstellungen.

Aber eigentlich mag ich Menschen ja gar nicht… Aber ohne Menschen geht es nun mal nicht…

Mit meiner Einstellung kämpfe ich oftmals auf verlorenem Posten. Schnell werde ich als «Gutmensch» abgeschrieben. Das mag wohl so sein. Innerlich habe ich resigniert. Was wäre denn die Alternative?

Ich bin nicht Kritikresistent und lasse mich gerne auf Diskussionen ein. Manche sind fruchtbar, andere eher hoffnungslos. Es ist schwierig, gegen festgefahrene Klischees anzukämpfen.

Eine demokratische Gesellschaft muss mit Menschen jeglicher Couleur umgehen können. An dem Tag, an dem sie es nicht mehr kann, wird sie totalitär. Ein Schritt weiter in Richtung Abgrund.

Deshalb denke ich, darf man auch die zum Teil unterirdischen Plakat-Kampagnen der «SVP» nicht verbieten. Man darf gegen sie Stellung beziehen. Man darf Gegenkampagnen starten. Man darf alles tun, um Menschen seine Meinung kundzutun. Man sollte sie allerdings nicht manipulieren. Es reicht, wenn die «Gegenseite» das tut. Ich glaube, vielmehr hoffe ich, dass Menschen selber merken, dass sie an der Nase herumgeführt werden… Egal von welcher Partei. Und auch wenn Vergleiche mit «Nazis» wohl manchmal wirklich angebracht wären, so helfen diese nicht. Im Gegenteil.

Ich nehme jeden Menschen wie er ist und gehe – vermutlich aus unglaublich grosser Naivität heraus – davon aus, dass er nur gute Absichten hat. Deshalb sehe ich hinter Worten manchmal nicht die Dinge, die andere sehen… Und so akzeptiere ich auch jede Meinung, egal wie sie nun sein möge.

Ich bin ein hoffnungsloser Fall.

Wut

In meinem letzten Artikel ging es um das Thema «Rassismus». Ein Thema, das mich seit ich denken kann begleitet hat. Wenn auch eher unfreiwillig wurde ich schon im Vorschulalter darauf aufmerksam gemacht, dass ich nicht gleich wie die anderen war. Das ich anders sei.

Natürlich sieht man mir meine Herkunft unweigerlich an, obwohl man mich auch schon nach Brasilien, in die Mongolei (immerhin geographisch etwas näher), nach Afrika oder Arabien verpflanzt hat. Aber nein, ich stamme aus Indien und das sieht man mir an. Und da meine Eltern weiss sind, waren Sticheleien vorprogrammiert. So musste ich mich mit dem Thema beschäftigen.

Von meinen Eltern bekam ich früh den Ratschlag mit, über solchen Ärgernissen zu stehen. Solche Menschen würden früher oder später erwachsen, meinten sie und, wenn ich ihre Attacken ignorieren würden, würden sie bald einmal den Spass verlieren. Nur, wie das so mit elterlichen Ratschlägen ist: Diejenigen, die es betrifft, haben diese offenbar nie gehört…

Natürlich: Ich habe nie das gleiche Schicksal erlebt wie die farbige Bevölkerung Anfang der 1900er-Jahre in Amerika. Ich weiss nicht, wie das ist, wenn man nur getrennte Bürgersteige benutzen darf. Ich weiss nicht, wie das ist, wenn man in Restaurants an separaten Tischen sitzen muss. Und ich weiss auch nicht, wie das ist, wenn man Angst haben muss, weil in meiner Nachbarschaft die Häuser brennen. Das alles weiss ich nicht.

Allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, wie es sich anfühlt, wenn man nur geduldet und nicht akzeptiert wird. Wenn man immer wieder hört, dass man nur auf dem «Papier» Schweizer sei. Und ich weiss, wie es sich anfühlt, wenn wildfremde Menschen einem in gebrochenem Deutsch etwas erklären wollen, auch wenn sie ansonsten perfektes «Walliserdeutsch» sprechen.

In meiner Jugend gab es einige einschneidende Erlebnisse, die mein Verhalten gegenüber meinen Mitmenschen nachhaltig geprägt haben. In den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es zur Weihnachtszeit immer ein spezielles Radio, welches nur zu dieser Zeit spielte. Es war sehr beliebt und ein allabendliches Wunschkonzert war ein Highlight, weil man anrufen und Leute grüssen konnte. Eines Tages rief ein Einwohner meines Wohnortes an und fragte die Moderatoren, was das auffälligste an der örtlichen Schule sei (das Radiostudio war zu dieser Zeit in einer Lokalität neben der Orientierungsschule). Die Moderatoren antworteten nichtsahnend, dass es wohl das Schild zum Radiostudio wäre. Der Anrufer verneinte. Es wäre Abhijit. Warum? Weil er schwarz ist. Sofort wurde der Anruf unterbrochen und die Moderatoren entschuldigten sich.

Die Sendung wurde damals bis ins Unterwallis hinein empfangen und ich erhielt entsprechendes Feedback auch noch Wochen nach der Ausstrahlung.

Gewiss, es mag nun der Eindruck entstehen, dass alle Menschen in diesem Ort und in diesem Kanton (Bundesland) hoffnungslose Rassisten sind. Wenn der so entstanden ist, dann ist das natürlich falsch. Allerdings sind einige rassistische Tendenzen durchaus zu beobachten. Der übliche Spruch lautet: «Ich bin kein Rassist, aber…»

Und genau das macht mich wütend. Es macht mich wütend, dass Menschen in der heutigen Zeit immer noch denken, sie könnten rassistische Vorurteile als Meinung tarnen. Es macht mich wütend zu sehen, dass es gewisse Parteien am rechten Rand gibt, die Hetze gegen Minderheiten betreiben. Es macht mich wütend, dass Menschen die nicht «weiss» sind als minderwertig betrachtet werden.

Ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass sich etwas diesbezüglich ändern wird. Denn manchmal glaube ich, dass die Menschen gar nicht aus der Geschichte lernen wollen. Leider.