Über «Street Photography» nachdenken…

Seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit der «Street Photography». Schon seit vielen Jahren fasziniert mich diese Gattung. Der Mut, mich in diesem Genre zu versuchen, war allerdings bisher nicht vorhanden.

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In der vergangenen Woche habe ich jedoch begonnen, in den Pausen, einige Aufnahmen zu machen (hier und hier). So verliess ich meinen Arbeitsplatz jeweils über Mittag, bewaffnet mit der kompakten «X100s» von «Fujifilm», die mit einer Festbrennweite von 23 mm ausgestattet ist. Ideal für die Strassenfotografie.

23 mm (oder auch 35 mm oder 50 mm) zwingen den Fotografen dazu, mitten im Geschehen zu stehen. Anders als mit einem (Tele-)Zoom kann er sich nicht einfach verstecken und «heimlich» beobachten. Kurz: Je grösser die Brennweite, desto näher ist man am bzw. im Geschehen, desto weniger bekommt man von der Umgebung aufs Bild.

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Dabei steht wohl jeder Fotograf vor ähnlichen Herausforderungen: Begibt er sich ins Geschehen und lässt sich mit seiner Kamera erblicken oder bleibt er ausserhalb und «dokumentiert» das Geschehen als Unbeteiligter und Ungesehener.

Gerade letzteres finde ich persönlich heikel: Man «nimmt» sich etwas – in diesem Fall ein gutes Bild – ohne dafür eine «Gegenleistung» geben zu müssen. Das «Motiv» sieht den Fotografen ja nicht. Das ist insofern natürlich auch unglücklich, weil man dem Gegenüber so auch die Möglichkeit nimmt, mit einem ins Gespräch zu kommen.

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Bisher war ich immer – mehr oder weniger – mitten im Geschehen. Eine ungewohnte Position für mich und ich fühlte mich nicht immer ganz wohl dabei. In Zeiten allgegenwärtiger Überwachung, von Smartphones und Selfie-Sticks, sind Fotografen eine sehr skeptisch beäugte Gattung und so hat mich mehr die Angst beim Abdrücken begleitet als die Freude über ein gelungenes Foto. Wie ein äusserst talentierter Fotograf und Freund angemerkt hat, kann man die Verunsicherung bzw. die Angst aus meinen Bildern herauslesen. Recht hat er damit.

Und das ist natürlich schade: Gerne würde ich unbeschwert durch die Strassen ziehen und gelungene Momente fotografisch einfangen. Aber da fängt die Grüblerei schon an: Soll man die Frau, die gerade am Handy spielt fotografieren? (Ich habe es getan!) Soll man das Kind, dass durch einen Gartenzaun lugt ablichten? (Hätte toll ausgesehen, aber ich habe es nicht getan) Soll man das sich küssende Liebespaar knipsen? Oder überhaupt: Soll man Menschen fotografieren? Darf man das? Kann man das? Und was…

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Anstelle der Kreativität und der Neugier sind Zweifel und Angst getreten. Klar, das Genre der «Street Photography» war immer schon in einer Grauzone (soll man die Leute vorgängig um Erlaubnis bitten? Dann wären die Fotos gestellt. Soll man sie im Nachhinein um Erlaubnis fragen, besteht die Gefahr, dass viele Bilder nicht möglich wären). Aber inzwischen ist es um einiges komplizierter geworden – und daran sind die sozialen Medien, in denen man ganz schnell Bilder publizieren kann, nicht ganz unschuldig. Jeder hat Angst, (unvorteilhaft) in den grossen Weiten des Internets veröffentlicht und verewigt zu werden.

Diese Angst kann ich niemandem nehmen. Ich kann nur darlegen, was die «Street Photography» für mich bedeutet. Für mich bedeutet «Street Photography» das «Sehen» von Situationen, dass «Erzählen» von (alltäglichen) Geschichten. So sorgfältig wie ich meine Geschichten zu erzählen versuche, so respektvoll gehe ich mit den Protagonisten dabei um.

Von Menschen und Schweizern…

Gedanken zur «Durchsetzungsinitiative» der Schweizerischen Volkspartei

In einigen Wochen ist es wieder soweit: Die ersten Abstimmungen stehen an. Neben der Volksinitiative (Vi) «Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln» und derjenigen «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» geht es – mal wieder – um die Ausschaffung krimineller Ausländer. Die von der SVP lancierte Initiative verlangt, dass die VI «Für die Ausschaffung krimineller Ausländer» (auch bekannt als «Ausschaffungsinitiative») aus dem Jahr 2010 wortgetreu umgesetzt wird. Sie hat auch gleich einen ganzen Katalog von strafbaren Taten, die eine automatische Ausschaffung und ein Einreiseverbot (zwischen 5 – 15 Jahre) mit sich bringt.

Auf den ersten Blick klingt das doch irgendwie toll: Schaffen wir einfach mal all die «bösen Ausländer»™ aus. Die Schweiz würde sicherer und alle wären glücklich.

Auf den zweiten Blick sieht das ganze schon ein wenig düsterer aus, denn es geht eben nicht nur um Ausländer, die kurz in der Schweiz sind, es geht – kurz gesagt – um alle Menschen, die keinen Schweizer Pass besitzen. Es kann also ebenso den 20jährigen Jugendlichen treffen, der hier geboren und aufgewachsen ist. Sein Pech: Er hat einfach keinen Schweizer Pass. Dabei spielt es keine Rolle, dass er das Land, aus dem seine Eltern stammten nur aus den Ferien kennt, die Sprache nicht spricht und auch sonst hier gut integriert ist. Er könnte sich ja «problemlos einbürgern lassen», lässt Christoph Blocher, Noch-Vize der SVP verlauten. Natürlich könnte er sich einbürgern lassen, aber wie bereits der von mir hochgeschätzte Sascha in seinem Blog schreibt, ist das ein wahrer Spiessrutenlauf. Die Aussagen, die Blocher im «Tagesanzeiger»-Interview macht, sind doch relativ zynisch zu verstehen und zeugen von einem Menschenbild, das ich nicht teilen mag – und da geht es mir wohl nicht alleine so.

Der dritte Blick ist nicht mehr düster. Er ist brandschwarz. Die in der Bundesverfassung (Art. 5 Absatz 2) verankerte Verhältnismässigkeit wird über den Haufen geworfen und einem Automatismus unterworfen, dem sich auch Richter unterzuordnen haben. Aber es ist nicht nur das, was mir Sorgen bereitet. Vielmehr geht es der SVP mit dieser Initiative nicht um die Opfer – auch wenn das Natalie Rickli, Nationalrätin der SVP, so gerne immer wieder betont (u. a. hier). Es geht vielmehr darum, «Schweizer» und «Nicht-Schweizer» noch stärker zu unterscheiden und zu trennen. So sind auch gemäss Hans-Ueli Vogt, SVP-Nationalrat, Secondos beispielsweise Menschen, die «nicht zur Gemeinschaft der Schweizer Bürger zählen, zur Schweizer Rechts- und Sozialgemeinschaft hingegen schon». Solche Unterscheidungen erstaunen doch sehr.

Der Titel dieses Beitrages lautet: «Von Menschen und Schweizern»… Natürlich sind Schweizer auch Menschen, wie auch diejenigen, die hier ohne den roten Pass leben. Diesen roten Pass, den sie dank der (J)SVP, nur sehr schwer bekommen können.

Ich würde mir wünschen – als verspäteter Wunsch zum neuen Jahr – dass die Menschen realisieren, dass man nur miteinander die Probleme, die in den nächsten Jahren auf uns warten, lösen können. Dass es nicht um «Papier»-Schweizer und richtige «Schweizer» (damit sind wohl «Eidgenossen» gemeint?) geht. Dazu braucht es aber auch Politiker, die miteinander arbeiten (wollen). Die nicht im «Volk» die einzig wahren Bestimmer und im (politischen) Gegner den Feind sehen.

Diejenigen, die im Februar 2016 abstimmen dürfen, sind alle nur aus glücklichen Umständen im Besitze des roten Passes. Das sollten wir bei Diskussionen, die uns nicht, dafür aber Menschen ohne eben dieses «magische» Stück, betreffen, nie vergessen.

Der stark «Pigmentierte»

Gedanken zur aktuellen Rassismus-Debatte…

Ich habe mir lange überlegt, ob ich zur aktuellen und allgegenwärtigen Rassismus-Debatte etwas schreiben soll. Eigentlich habe ich in früheren Beiträgen bereits alles gesagt. Zurzeit äussern sich viele Leute zu dieser Thematik. Egal ob Promi oder Sachkundiger.

Der Trigger.

Dass ich mich nun dennoch äussere, «verdanke» ich zwei Situationen:

In einer ersten wurde ich von einer Person, dessen Meinung ich sehr hoch schätze, darauf hingewiesen, dass sich mein politischer Standpunkt über die Zeit geändert hätte. In der zweiten wurde ich von «meiner» Partei aufgefordert, als «stark pigmentierter» Mensch zu diesen Positionen Stellung zu nehmen, denn ich würde mich damit ja am besten auskennen.

Das war der «Trigger», der mich zu diesem Text gebracht hat.

Zuerst einmal: Der allgegenwärtige Rassismus erstaunt mich nicht. Es gab ihn immer und wird ihn wohl immer geben. Manchmal tritt er öffentlicher, manchmal versteckter auf. Da hilft es nicht, wenn man rassistische Posts (oder solche, die man dafür hält) meldet oder Nachbarn, Mitbewohner, Mitarbeiter, etc. als «Nazi» abstempelt. Das löst weder die Problematik, noch wird es der Sache gerecht. Deshalb melde ich solche Posts auch nicht.

Für mich geht die Meinungsfreiheit extrem weit. Von persönlichen Angriffen, Diffamierungen, etc. abgesehen, können Menschen meinetwegen jede, für mich noch so «krude», Meinung äussern. Das bedeutet nicht, dass ich jede Meinung akzeptiere oder dass ich jede Meinung gut finde. Das bedeutet nur, dass ich die andere Meinung dulde. Und manchmal ist es mehr ein «Ertragen» als ein «Erdulden». Aber so ist das Leben. Es können und sollen nicht alle genau gleich denken und fühlen wie ich.

Deshalb soll jeder Mensch seine eigene Meinung äussern, egal wie extrem sie ist. Diese Freiheit hat er. Diese Freiheit schliesst aber auch ein, dass er sich damit zum Deppen macht.

Drum halte ich von Löschaktionen nichts. Was bringt es? Man «säubert» seine eigene Welt von Meinungen, die zugegebenermassen wirklich menschenfeindlich sind. Aber, auch wenn man auf den «Melde»-Button drückt, auch wenn sie so digital verschwindet, so schwirrt sie doch irgendwo noch rum. Aus den Augen, aus dem Sinn. Auch eine Möglichkeit.

Vielleicht sollte man sich also von der Vorstellung verabschieden, dass es eine Welt ohne Rassismus geben kann. Vielleicht sollte man sich mit der Vorstellung anfreunden, dass es Menschen gibt, die Angst vor Unbekanntem, vor «Fremdem» haben. Vielleicht sollte man auch für möglich halten, dass es Menschen gibt, die in Flüchtlingen in erster Linie eine Bedrohung sehen. Vielleicht sollte man sich der Tatsache stellen, dass die Politik mit gewissen Situationen hoffnungslos überfordert ist. Und vielleicht auch damit, dass einige Parteien bewusst «Ängste» (die durchaus real vorhanden sein können) schüren, während andere Parteien, diese nicht ernst nehmen. Vielleicht…

Gerade von meiner Partei hätte ich mir mehr gewünscht. Definitiv und ich bin sehr stark am Zweifeln ob ich dort noch Werte finde, mit denen ich mich identifizieren kann. Sich für die Schwachen einzusetzen heisst nun mal, auch unpopuläre Dinge zu sagen, den Menschen den Spiegel vorzuhalten. Auch und gerade ohne Rücksicht auf eventuelle (Sitz-)Verluste. Aber wenn man, aus Angst vor dem übermächtigen «Gegner» schweigt, hat man bereits kapituliert.

Ich weiss, das klingt stark nach Resignation. Und vielleicht habe ich auch resigniert. Insofern hat sich meine Einstellung wohl tatsächlich ein wenig geändert. Früher dachte ich, dass ich Menschen ändern könnte. Dass ich Menschen mit meinen Worten erreichen könnte. Doch dazu müsste ich heutzutage schreien (oder irgendein mehr oder weniger bekannter C-Promi sein). Die Hetzer überschreien. Aber das ist nicht meine Aufgabe. Auch nicht, weil ich «stark pigmentiert» (oder schöner ausgedrückt: «farbig») bin.

Was sollte man nun also tun? Was soll man gegen ein Phänomen tun, dass wohl unsterblich ist? Man sollte mit den Menschen reden. Aber nicht von oben herab. Man sollte ihre Ängste ernst nehmen. Auch und gerade besonders dann, wenn sie für einem selber nicht nachvollziehbar sind. Und man sollte den Menschen erklären, was der Ursprung dafür ist, dass Menschen ihr Hab und Gut, ihre Familien und Freunde, Hals über Kopf verlassen um eine gefährliche Reise zu wagen. Das alles kann man tun. Man kann hoffen, dass sie einen Gedanken daraus mitnehmen und vielleicht erkennen, dass man solche Thematiken nicht losgelöst vom sonstigen Weltgeschehen betrachten kann (Menschen flüchten ja nicht einfach so…). Aber mehr nicht. Und natürlich wird es Zeitgenossen geben, die auch für solche Worte nicht empfänglich sind. Aber um die kümmert sich, sollten sie straffällig werden, das Gesetz.

Und man sollte sich nicht von seinen Vorstellungen verabschieden: Das Rad der Zeit lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Vorbei sind die Zeiten, in denen «Farbige» einen anderen Bürgersteig nehmen mussten, in denen sie wie Menschen zweiter Klasse behandelt wurden. Wir sind in einer multikulturellen Gesellschaft angekommen. Und das ist gut so. Es ist bereichernd und inspirierend. Und es lohnt sich, dafür die Feder zu spitzen und zu schreiben. Ganz ohne Verurteilung Andersdenkender.

Das gilt für Politiker und insbesondere die Medien: Statt immer nur über vermeintliche «Probleme» mit asylsuchenden Menschen zu berichten, wären vielleicht auch positive Erlebnisse erwähnenswert. Zeigen, dass es auch anders geht. Dass das auch nur Menschen wie du und ich sind. Das kann man tun.

Ich habe eine Seite gewählt, weil ich Mensch bleiben will. Und du?

Von einer Wyssion

In meinem Leben hat sich in den letzten Monaten viel geändert. Viele neue Abenteuer haben begonnen, viele neue Menschen durfte ich kennenlernen, viele neue Erfahrungen durfte ich machen. Dabei wurde mir wieder einmal bewusst, wieviel Glück ich habe. Sei es durch meine Familie oder durch glückliche Fügungen. Das es auch anders geht, wird uns spätestens dann bewusst, wenn man die Tageszeitungen aufschlägt, den Fernsehapparat einstellt oder im Radio den Nachrichten lauscht. Die Welt ist, zweifelsohne, aus den Fugen geraten.

Und doch gibt es immer wieder Menschen, die den Mut nicht verloren haben. Die ihr Leben in Würde und selbstbestimmt leben möchten. Die an sich, ihre Fähigkeiten und an ihre Umwelt glauben. Menschen mit Visionen. Einer davon, den ich von Twitter her «kenne», ist Jürg Wyss (Facebook  / Twitter ).

Schon seit einiger Zeit folge ich ihm und habe so von seinem Projekt mitbekommen. Zuerst nur am Rande. Mit seinem Projekt «A Better Future For Filipinos – PhilipinerInnen» möchte er es Menschen, die ebenfalls eine Vision haben, ermöglichen, ein eigenes Geschäft aufzubauen (mehr Infos dazu hier:  und die Spendemöglichkeiten auf seiner «Indiegogo»-Seite). Das Projekt ist für mich der Beweis dafür, dass man in einer hoffnungslosen Welt doch noch Visionen und vor allem Hoffnungen haben kann. Doch, bis Jürg sein Projekt starten kann, ist noch viel Arbeit zu leisten. Insbesondere ist er auf Spenden angewiesen. Denn, wenn er den vorher festgelegten Zielbetrag nicht erreicht, kann er das Projekt nicht realisieren (was aber nicht heisst, das er dann die Menschen vergisst und einfach nicht hilft…)

Ich bin mit Spendeaufrufen immer sehr vorsichtig. Selber spende ich schon seit einigen Jahren einer Organisation in Indien, die mir persönlich sehr nahe steht. Jürg habe ich ebenfalls Geld gespendet. Ohne dafür eine Gegenleistung in Form eines «Perk» zu wählen. Wohlgemerkt: Ich habe einem Menschen mein hart erarbeitetes Geld amvertraut, den ich eigentlich nicht kenne. Mit dem ich via Facebook und Twitter «befreundet» bin und mit dem mich eigentlich nichts verbindet. Eigentlich. Zumindest haben wir beide die Hoffnung auf eine bessere Welt noch nicht aufgegeben. Und das ist doch schon mal etwas. Mehr braucht es nicht. Der Glaube an das Gute verbindet. (Und vielleicht treffen wir uns ja gleichwohl irgendwo einmal…)

Und so rufe ich meine Leserinnen und Leser ebenfalls auf, es mir und Jürg gleichzutun. Wenn ihr ein paar Franken übrig habt, spendet die seinem Projekt. Damit es auch anderen Menschen gelingt, ihre Vision(en) zu realisieren und somit den Schritt in eine bessere Welt tun zu können.

Natürlich könnte das ganze auch ein «Fake» sein. Natürlich könnte sich Jürg mit dem ganzen Geld aus dem Staub machen und sich ins Fäustchen lachen. Natürlich könnte das all möglich sein. Aber wenn wir nicht lernen, auf Menschen unvoreingenommen zuzugehen. Wenn wir nicht lernen, dass in jedem Menschen etwas Gutes ist, werden wir eines Tages einsam und verbittert sein. Deshalb vertraue ich Jürg, weil ich an das Gute im Menschen glaube. Trotz all meiner negativen Erfahrungen. Oder gerade deswegen.

Zwei Leben.

Seine Familie kann man sich nicht aussuchen. Normalerweise stimmt dieser Satz. Manchmal meint es aber das Schicksal gut und gibt Menschen eine zweite Chance. Eine Chance, zu leben. Eine Chance, ein zweites mal geboren zu werden.

Ich liebe nicht viele Menschen auf dieser Welt. Nur wenige absolut bedingungslos. Eigentlich nur deren zwei. Es sind die Menschen, denen ich meine Existenz, ein Sein, verdanke. Meine Eltern. Das mag sich nun gar zu pathetisch anhören. Aber meine Lebensgeschichte ist in dieser Hinsicht speziell.

Ich wurde adoptiert. Eine Tatsache, aus der ich nie ein Geheimnis gemacht habe, nie ein Geheimnis machen konnte. Meine Eltern haben nicht die gleiche Hautfarbe wie ich und so waren Fragen vorprogrammiert. Das hatte auch zur Folge, dass ich bereits im Kindergarten über meine Herkunft, meinen Ursprung, aufgeklärt wurde. Meine Eltern waren immer sehr offen. Für sie war es nie ein Problem. Für mich auch nicht. Niemals.

Natürlich habe ich oft mit meiner Herkunft einen inneren Zwist geführt. Natürlich habe den Umstand der Adoption bereut. Natürlich habe ich oftmals nach dem «Warum» gefragt (wohl etwas, was mit dem «Bereuen» zu tun hat). Allerdings habe ich nie an den guten Absichten meiner Eltern gezweifelt. Ich habe sie immer als «meine» Eltern gesehen. Nie nach meinen «richtigen» Eltern gefragt.

Berichte über Menschen, die ihre «richtigen» Eltern suchen, irritieren mich immer wieder. Und dann denke ich an meine Vergangenheit, denke zurück an meine Zweifel. Vielleicht hatte ich Glück. Vielleicht musste ich nie an meinen Eltern und ihrer Liebe zweifeln. Vielleicht musste ich nie darüber nachdenken, ob ich es bei meinen «richtigen» Eltern besser gehabt hätte.

Die Menschen in diesen Berichten suchen nun also ihre Eltern und vielfach erhoffen sie sich Antworten auf ihre Fragen. Die wohl wichtigste, warum man adoptiert wurde. Warum man weggeben wurde. Warum eine Mutter ihr eigenes Kind anderen Menschen anvertraut. Die Frage habe ich mir oft auch gestellt und die Antwort beschäftigt mich noch heute. Denn, manchmal sind die Fragen nicht so schlimm wie die Antworten. Weil manchmal die Antworten doch nur anders formulierte Fragen sind. Ich weiss nicht, ob ich, wenn ich nicht schon so früh mit dem Thema konfrontiert worden wäre, danach gefragt hätte. Es hätte mich nie Interessiert. Weil es für mich und meine Eltern nie eine Rolle gespielt hätte.

Ich werde meine «richtigen» Eltern niemals kennenlernen. Ich hege keinen Groll gegen sie. Keine Wut, kein böser Gedanke. Durch ihre Entscheidung haben sie mein Schicksal massgeblich beeinflusst und dafür danke ich auch ihnen. Sie haben mir mein erstes Leben geschenkt.

Mein zweites Leben haben mir meine jetzigen Eltern geschenkt.

Zwei Leben. Wie eine geglückte Operation. Wie das Eintauchen in eine neue, unbekannte Welt.

Für diese zweite Chance bin ich unendlich dankbar. Bedingungslos.