Über die Liebe erzählen.

Carmen Cannelle, eine «Zauberin mit Worten», schrieb vor etwa einem Jahr einen Blog-Eintrag, auf welchen ich erst jetzt gestossen bin. Der Titel lautete: «Ein Donnerstagabend und die Frage nach Liebe». Sie schrieb unter anderem:

«Was bedeutet denn Liebe für mich? Es existieren so viele Gedichte, Lieder oder auch Prosatexte dazu, ist es denn überhaupt nötig, dass ich meine Meinung auch noch platzieren muss? Schwierig. Aber vielleicht sollte man Liebe nicht definieren. Vielleicht soll Liebe einfach sein.» [Hervorhebung durch mich]

Über die Liebe habe ich bereits einige Einträge veröffentlicht und auch meine Einstellung «Lieben heisst loslassen». Diese hat sich in der Zwischenzeit ja geändert:

«So gab es auch bei mir einen Paradigmenwechsel und es heisst nicht mehr zwingend «Lieben heisst loslassen», sondern «Lieben heisst Liebe schenken und annehmen». Denn, eigentlich ist sie «nur» ein Geschenk. Entweder man bekommt sie und weiss sie zu schätzen oder man ist immer auf der Suche. Blind für das, was man eigentlich hat.» (Quelle: «Lieben heisst loslassen – Eine Neubetrachtung»)

Carmen fragt, ob es angesichts der zahlreichen Texte, Songs, etc überhaupt notwendig ist, seine eigene Meinung zum Thema «Liebe» zu veröffentlichen. Ich denke, gerade weil jeder die «Liebe» anders erlebt, sollte er darüber erzählen können.

«Liebe» kann man nicht mit Worten erklären. Man kann es versuchen und dabei grandios scheitern. Hingegen kann man mit Worten, Musik, Filmen und vielem mehr beschreiben, was man dabei fühlt. Aber erklären kann man sie nicht.  Carmen hat Recht: «Vielleicht soll Liebe einfach sein.»

Oftmals fragt man nach dem «Warum». Warum man jemanden liebt. Warum man ein Hobby gerne ausführt. Warum man diesen Song liebt (und nicht einen anderen). Diese Fragen kennen wohl alle.

Und wie reagieren wir dann? Vielleicht schauen wir dann mit einem Strahlen im Gesicht. Vielleicht lächeln wir. Vielleicht fehlen uns die Worte; vielleicht sprudeln sie aber aus uns heraus. Es ist doch so: Die Frage nach dem «Warum» lässt sich nur schwer beantworten und deshalb sollten wir es auch gar nicht versuchen. Wenn man eine Person liebt, schenkt man ihr seine Liebe, seine Zeit und sein Vertrauen. Man tut es, weil man liebt und nicht, weil man etwas zurückerwartet.

Die Zeit, die wir auf Erden verbringen, ist viel zu kurz um hinter allem einen Sinn zu suchen. Wir sollten vielmehr mit dem Herzen «sehen» und «hören». Dann würde sich die Frage nach dem «Warum» erübrigen.

Ein nächtliches Gespräch…

Folgenden Dialog habe ich vor einigen Jahren einmal geschrieben. Heute habe ich ihn zufälligerweise wieder gefunden und dachte, er passt ganz gut in die heutige Zeit. Ich freue mich über Feedback.

Die Szene spielt in einem bürgerlichen Haushalt, die Protagonisten sind eine Frau und ihr Mann. Und irgendwo findet sich auch noch eine Schwiegermutter. Und eine Sekretärin. Es ist 20 Uhr.

Der Fernseher läuft. Die Eheleute sitzen am Esstisch nach dem Abendessen.
Er hat sein Handy und liest die Zeitung.
Sie bringt das Dessert. Stellt eine Schale vor Ihn hin.

ER
(Besieht sich das Dessert) Elvira, was ist das Rote im Dessert?

SIE
Was soll diese Frage! Das sind doch Erdbeeren! Hast du so was noch nie gesehen? Und überhaupt! Du dämlicher Depp! Du hast dich noch nicht einmal für das hervorragende Mahl bedankt, dass ich dir in
fünfstündiger Arbeit gekocht habe!

ER
(gelangweilt) Du meinst die Büchsenravioli und den faden Braten? Der ja ausserdem noch kalt ist?

SIE
So nennst du also meine selbstgemachten Canneloni und das Vitello Tonato? Du undankbarer Schuft… (seufzt) Warum tue ich mir das bloss jeden Tag an?

ER
Elvira, Schätzchen, so war das doch nicht gemeint… Natürlich weiss ich, dass du einen strengen Tag hinter dir hast. Das Blättern in den ganzen Katalogen und das Ausfüllen von Bestellformularen hat ja sicher viel Kraft gekostet… (lächelt)

SIE
Oh du… Ich wollte dir nur sagen… Ich liebe… dich…

ER
Könntest du bitte still sein. Ich hör ja sonst nicht mal mehr den Fernseher…

SIE
(aufgebracht) Was fällt dir ein! Du schaust dir doch sonst nie die Nachrichten an! Und erzähl mir jetzt nicht, die Nackedeis, die abends über den Bildschirm flimmern würden die aktuelle politische Lage analysieren.

Pause. Sie räumt ab. Setzt sich wieder zu ihm.

SIE
Schatz?

Keine Antwort

SIE
(wird etwas lauter, leicht gereizt) Schatz?

Keine Antwort. Er nimmt sein Handy. Seine Sekretärin ruft an und er flirtet mit ihr.

SIE
Schatz! Jetzt leg endlich dein Dinges weg und hör mir zu!

ER

(gelangweilt, legt das Handy wieder neben sich) Ja, Schatz?

SIE
Unterbrich mich nicht! Das Biest, äh, ich meine, deine Mutter hat angerufen.

ER
Oh je… Was wollte Sie denn?

SIE
Na was wohl? Sie fragte nach ihrem lieben Sohnemann. Und sie wollte natürlich wieder wissen, wohin wir in die Ferien gehen…

ER
(zögert) Du hast doch nicht etwa…

SIE
Schatz, ich weiss doch wie sehr du deine Mutter magst. Ich hab ihr gesagt, du würdest mit deiner Sekretärin und mir gemeinsam in die Ferien fahren.

Er springt schockiert auf.

ER
Das hast du nicht wirklich getan, oder?! Du weisst doch…

SIE
(blättert in einer Zeitschrift) Nein, natürlich nicht. Ich weiss ja, wie frigide die alte Schachtel ist…

Eine Weile herrscht ruhe. Das Handy klingelt

SIE
Schatz?

Da keine Antwort kommt…

SIE
Schaaatz?

ER
Ja? (Sein Handy klingelt wieder)

SIE
Schatz! Wir müssen über die Ferien sprechen! Ich möchte nicht wieder auf die Malediven. Letztes Jahr hat es jeden Tag nur Hummern und Austern gegeben…

ER
Denkst du etwa ich würde dich mitnehmen in die Ferien? Da ist mir meine Sekretärin lieber. Und die ist erst noch jünger als Du! Und ihre Brüste hängen nicht so runter.

SIE
Was fällt dir ein! Soll ich deine Mutter anrufen und ihr von unserem Swinger-Club-Besuch erzählen? Die wäre innerhalb von fünf Minuten hier!

Er schaut sie aufgeschreckt an.

ER
Das würdest du doch nicht tun! Du weisst doch…

SIE
Ja, ich weiss, mein Lieber.  Der frigide alte Drache, äh, ich meine, deine liebste Mutter würde das, glaube ich, nicht verstehen…

Er ruft seine Sekretärin an. Es ist besetzt.

SIE
Na, hat das Flittchen keine Zeit?

Er stöpselt sich Kopfhörer in die Ohren und hört Musik. Ziemlich laut.

SIE
Jetzt nimm endlich die Kopfhörer aus deinen Ohren, Kurt! Benimm dich gefälligst! Warum habe ich dich bloss geheiratet? (seufzt)

Das Telefon klingelt.

SIE
Keine Angst, mein Liebling (ironisch), ich geh ja schon (nach einigen Augenblicken) Kurt, deine Mutter!

Er steht auf, nimmt den Hörer.

ER
Ja, Mutti?

Nein, Mutti, du störst nicht.

Nein, Elvira ist nicht böse.

Ja Mutti, ich habe sie heute schon geküsst.

Nein Mutti, wir hatten diesen Monat noch keinen Liebesakt.

Aber Mutti, du weisst doch, dass Elvira keine Kinder kriegen kann.

Ja, Mutti, ich weiss! (genervt)

Mutti!

Mutti! Mein Bruder Ferdinand ist schwul!

Mutti! Ich muss jetzt Schluss machen. Der Hund will raus.

SIE
Kurt! Ich will die Scheidung!

Liebe zur Schweiz…

Inspiriert durch einen Blogpost von Philippe Wampfler will ich heute mal von meiner «Liebe zur Schweiz» schreiben. Nach meinen letzten Beiträgen, alle rund um das Thema «Rassismus» und meine Kindheitserlebnisse, könnte man wahrscheinlich denken, dass «Liebe» wohl ein falsches Wort ist…

Meine «Liebe» zur Schweiz ist in erster Linie eine tiefe Zuneigung zu Personen. Zuerst wären das mein Vater und meine Mutter, die sich damals, vor über dreissig Jahren auf das Abenteuer eingelassen haben, ein Kind zu adoptieren. Und wer sich mit Adoptionen beschäftigt, der weiss, wie «umständlich» diese sind, wie viel «Papierkrieg» es bedeutet. Und wie viel Geduld von wartenden Eltern.  Es waren in das damalige Abenteuer auch andere Menschen involviert, die alle weiter sahen, als es damals, in den 1970er üblich war. Auch ihnen gebührt meine tiefe Zuneigung.

Ich bin nicht patriotisch aufgewachsen. Den «1. August» habe ich nie gemocht. Ich mag unnötigen Krach nicht und gehe ihm aus dem Weg. Ich konnte nie verstehen, warum man unverhältnismässig viel Geld in die Luft schiesst.

Erst viel später wurde ich politischer. Bereits aus meiner Vergangenheit wusste ich, dass es wohl ein «Normalzustand» ist, wenn man als nicht «typischer» Schweizer angefeindet wird. Ich wusste aber auch, dass das nicht rechtens war. Deshalb fing ich an, mich für Politik zu interessieren. Es gab eine Zeit in der Schule, in der ich der einzige war, der die sieben Bundesräte mit vollem Namen, Partei- und Departementszugehörigkeit kannte. Eine grosse Leistung, wenn man von Leuten umgeben war, die stets betonten, dass sie «schweizerischer» als ich waren.

Die «Schweiz» als «Institution», als Land, kann ich nicht lieben. Sie hat mir nichts gegeben und – zugegebenermassen – auch nichts verlangt, wenn man von meinem Geld in Form von Steuern und meiner Zeit in Form von Zivilschutz absieht. Mein «Patriotismus» hält sich in sehr überschaubaren Grenzen – er ist schlicht nicht vorhanden. Ich denke nicht in Landesgrenzen. Diese sind immerhin im Gegensatz zu denjenigen in den Köpfen der Menschen fass- und veränderbar.

Wenn mein «Patriotismus» nicht vorhanden ist, was liebe ich dann an der Schweiz? Ich mag die Menschen. Nicht alle, einige. Eigentlich nur sehr wenige. Aber ich freue mich, dass es immer mehr Menschen gibt, die mir zeigen, dass man auch über äusserliche Unterschiede hinweg, gleich denken und handeln kann. Ohne Unterschiede. Dafür braucht es, denke ich, keine «Schweiz».

Und wir gehören doch nicht dazu.

Zugegeben, es ist schon ein wenig frustrierend: Da bemüht man sich um Integration. Lernt eine Sprache, die zweifelsohne weniger wohlklingend ist als zum Beispiel das wundervolle «italienisch», man passt sich der «nordischen» Hektik an, die mehrheitlich besagt, dass «Arbeiten» der Sinn des Lebens ist. Kurz: Man integriert sich. Und dann, ja dann wird man wieder einmal darüber aufgeklärt, dass man doch «nur» ein Schweizer «2. Klasse» sei. Ein Secondo. Kein «reinrassiger» Schweizer.

Gestern wurden der von mir geschätzte Blogger und Twitterer, Daniel Menna und ich dessen wieder einmal versichert: Wir sind «nur» Schweizer 2. Klasse.

Herr M. C. aus der schweizerischen Ostschweiz hat uns über das aufgeklärt:

Vorausgegangen war eine Diskussion darüber, ob man sich über die am heutigen Tage an alle Haushalte geschickte «Parteizeitung» der SVP überhaupt aufregen darf. Wenn es nach M. C. ginge, dürften das «Secondos» wohl nicht.

Auf die berechtige Empörung der Angesprochenen sprang ihm eine ebenfalls eher dem rechtskonservativen Lager nahe stehende Twitterin mit folgender Aussage zu Hilfe:

Da sich M. C. bei Daniel entschuldigt hat, habe ich ihm geschrieben, dass es eine Frage des Anstandes wäre, wenn er dies auch bei mir tun würde. Er lehnte ab:

Es sind genau solche Dinge, die mich immer mehr an meiner Existenz zweifeln lassen, die mich wütend, traurig und ohnmächtig alleine lassen. Ich kann solche Menschen einfach nicht verstehen. Leben wir denn nicht auch hier? Atmen wir nicht die gleiche Luft? Geben wir nicht jeden Tag unser bestes? Gewiss, wir sehen vielleicht nicht aus wie ein «normaler» Schweizer, wir reden vielleicht anders, denken und handeln verschieden und doch: Schneidet man uns auf, so ist unser Blut genau so rot wie eures. Wir sind alle gleich. Aber manchmal fühlt man sich doch sehr einsam…